Ins Guhkesvágge
Als ich um 6 Uhr wach werde, prasselt der Regen aufs Zelt. Eigentlich sollte es erst später anfangen. Ich drehe mich auf der Luftmatratze um und schon zieht es mir wieder in die Leiste. Vielleicht ist so eine Pause ja gar nicht verkehrt und so schlafe ich noch eine Runde. Als ich wieder aufwache, regnet es immer noch. Rührei zum Frühstück verschafft etwas Beschäftigung. Vor allem, weil das Saubermachen des Topdeckels als Bratpfannersatz etwas mühsam ist. Anschließend ziehe ich das Regenzeug an und laufe draußen etwas herum. In einiger Entfernung steht ein weiteres Zelt und drei Schweden queren den Lulep Niendojågåsj. Zuerst höre ich deren Rufe und nach einiger Zeit passieren sie mein Zelt. Immerhin ist es nun nur noch leichter Nieselregen und gehe ich zurück zum Zelt, esse noch Kartoffelpüree zu Mittag und packe ein.
Um halb zwei komme ich los. Es ist nun trocken und auch am Nachbarzelt wird eingepackt. Wenig später passiere ich die drei Schweden, welche auf einer Erhebung Mittagspause machen. Ursprünglich wollte ich heute bis zum Tjåggŋågrisjågåsj wandern, aber da mir nur einige Stunden zur Verfügung stehen, peile ich den Pass am Vuojnesvárásj an, an dem ich schon bei meiner ersten Sarektour 2015 übernachtet hatte.
Der Trampelpfad ist ausgetreten und trotz des nächtlichen Regens nicht so nass wie am Vortag am Berghang Njirávbuollda. Dafür liegen hier viele Felsen herum und in Nienndo und um den Niendooalgge ist es eher schwieriger, aber nicht unmöglich, einen Zeltplatz zu finden. Dicht an den Liehtjitãvrre komme ich nicht. Die Gipfel sind weiterhin in Wolken gehüllt und hin und wieder nieselt es leicht. Eine Rentierherde sorgt für etwas Abwechselung. Als ich ins Guhkesvágge einbiege, frage ich mich schon, warum ich hier immer so Schietwetter habe. Im Hang am Alep Niendojågåsj steht etwas oberhalb vom Pfad ein Zelt. Ich habe inzwischen mehr Leute gesehen, als während meiner gesamten Sarektour 2019. Die Arme des Alep Niendojågåsj lassen sich über Trittsteine queren.
Über den Guhkesvákkjåhkå in den Sarek
Der Pfad geht nun bergab Richtung Guhkesvákkjåhkå. Die Brücke hebt sich in der tristen Umgebung schlecht ab und es dauert etwas bis ich sie erspähen kann. Auf der anderen Seite nähert sich ebenfalls eine Gruppe der Brücke. Statt rüber zu gehen, stehen sie am anderen Ufer und warten. Etwas auf mich? Als ich fast da bin, beginnen sie doch zügig mit der Querung. Alle bis auf einer. Während vier schottische Pfadfinder an mir vorbeiwandern, sammelt der fünfte noch seinen ganzen Mut zusammen. Ich warte lieber mal mit viel Abstand zur Brücke, bis er an mein Ufer geschwankt ist. Als er an mir vorbeikommt, sieht er immer noch elendig im Gesicht aus. Hängebrücken sind nun auch nicht bei Ding, aber diese finde ich okay. Die größte Hürde ist auf die Brücke zu kommen, denn es gibt auf meiner Seite keine Treppe oder Rampe. Nur ein paar Steine. Das Problem hatte ich 2015 schon, aber ich komme irgendwie mit meinen kurzen Beinen samt dicken Rucksack hoch. Unter mir rauscht der trübe Guhkesvákkjåhkå, die Brücke schwankt und schon bin ich auf der anderen Seite.
Nasse Füße am Vuojnesjågåsj
Ich folge dem Pfad solange, wie er mich in Richtung zum Tal nördlich des Vuojnesvárásj führt. Mir kommen zwei Wanderer abseits entgegen und so verlasse ich ihn auch und gehe in gerader Linie auf mein Ziel zu. So müsste ich ungefähr auf die Stelle treffen, an der ich 2015 den Vuojnesjågåsj gequert habe. Er fließt in einem Kiesbett und verzweigt sich in mehrere Arme, so das ich damals in Wanderschuhen und Gamaschen ans andere Ufer kam. Bis dahin geht es im Zickzack über Felsen und Sumpfflächen. Ich treffe auf ein breites Kiesbett mit einigen Rinnsalen und freue mich schon. Ruckzuck bin ich drüben und erklimme den grünen Erdwall. Die Freude war zu früh, denn ich höre es schon Rauschen. Der eigentliche Fluss kommt noch und er ist hier eindeutig zu tief für meine Wanderschuhe. Ich gehe flussabwärts wo er sich verzweigt. Gras und Weidebüsche sehe ich im Wasser und auch wenn er nicht so tief ist, ich habe keine Lust auf nasse Schuhe. Weiter unten fängt das Sumpfgebiet an. Ich gehe wieder ein Stück zurück, ziehe meine Crocs an und patsche ans andere Ufer. Das ging schneller als Weitersuchen. Als ich meine Schuhe anziehe, sehe ich die drei Schweden auf meine Stelle zustürmen. Als sie realisieren, das ich die Schuhe wechsel gehen sie am Ufer weiter Richtung Sumpfgebiet.
Zum Pass am Vuojnesvárásj
Ich beginne mit dem Aufstieg. Als ich mich umdrehe, stehen zwei weitere Wanderer an meiner Furt und diese gehen in Schuhen drüber. Zu allem Überfluss folgen sie mir auch in den Pass. Kommt es noch zu einem Wettrennen um den Zeltplatz? Und was machen die drei Schweden. Ich kriege einen Schreck, denn sie queren den Vuojnesjågåsj im Sumpf und einer von ihnen hängt da irgendwie komisch am Ufer. Zum Glück schafft er es mit Rucksack aus dem Wasser raus. Alle drei wandern südlich Route um den Vuojnesvárásj. Schritt für Schritt steige ich auf. Eine Pause mag ich nicht machen und bin froh, als ich die anderen beiden rasten sehe. Als ich oben ankomme, bin ich erleichtert kein Zelt zu sehen. Die Anstrengung hat sich also gelohnt. Als ich das Zelt ausbreite kommen die beiden an und beneiden mich um den Platz. Es sind zwei Schweden, Vater und Sohn, die nach Ritsem wollen und ihre erste Sarek Tour machen.
Für mich gilt es nun Wasser zu finden. Ich vermute, dass ich ein ganzes Stück wieder absteigen muss und gehe diesmal aber nicht direkt zurück, sondern nach Westen um den Hügel. Hier gäbe es weitere Zeltmöglichkeiten. Ich treffe auf ein Sumpfgebiet und etwas unterhalb sprudelt der Bach schon recht gut, sodass ich meine Wasserbeutel fülle. Auf dem Rückweg kommen mir zwei Wanderer entgegen, die mich wohl gesehen haben und ins Guhkesvágge absteigen wollen. Ich scheine heute magnetisch zu sein. Weiter unten im Bierikvágge zähle ich drei Zelte. Einsam ist etwas anderes.