Ich habe die Nacht schlecht geschlafen und wache mit leichten Kopfschmerzen auf. Draußen lacht die Sonne, nur über mir ist eine Wolke. Als ich einpacke, fliegt ein Hubschrauber von Fiskflyg zur Tarraluoppalstugorna. Und auch der Linienflug nach Stáloluokta fliegt durchs Tarradalen.
Ich komme spät los. Der Druck im Kopf ist nicht besser geworden. Eine Migräne kann ich nun wirklich nicht gebrauchen, aber ändern kann ich es auch nicht. Heute will ich eigentlich bis zum Buojdes See. Erst einmal muss ich aber die zwei Kilometer bis zum See Vássjájávrátja zurücklegen, die ich gestern nicht mehr geschafft habe. Da ich am Abend weiter oben auf dem kleinen Plateau ein Steinmännchen gesehen hatte, steige ich nicht wieder auf meine gestrige Route ab, sondern bleibe hier oben. Das Steinmännchen sieht neueren Datums aus und liegt an der 1000 Meter Höhenlinie. Eine sumpfige Ebene liegt vor mir. Ich halte mich östlich davon und kann wenig später zum See Vássjájávrátja blicken. Er liegt in der Senke Vássjágåhpe und ist umgeben von Sumpfwiesen. Östlich des Sees gibt es im steileren Gelände einige Zuflüsse, während westlich der Seeabfluss zu queren wäre. Von dort könnte ich auf einen Bergrücken wieder aufsteigen. Von meiner Position führt eine längliche Erhebung Richtung Seeabfluss. Ich überlege kurz und entschließe mich meinem ursprünglichen Plan zu folgen und den Seeabfluss zu queren.
Ich wechsele also auf den Hügel und gehe abwärts. Die Route führt mich zu einer Stelle, an der Seeabfluss durch ein breites Flussbett fließt. Das flache Wasser plätschert zwischen den vielen Steinen. Was erst einfach aussieht, stellt sich schnell als schwieriger heraus. Die unter Wasser liegenden Steine sind von grünen Algen bedeckt, die so rutschig sind, dass ich selbst im Wanderschuh keinen Halt habe. Im Zickzack über die trockenen Steine komme ich ans andere Ufer.
Ein Bergrücken soll mich zurück auf die 1020 Meter Höhenlinie bringen. Mir geht es weiterhin nicht besonders gut und nach rund einem halben Kilometer finde ich einen windgeschützten Platz in der Sonne und mache Pause. Ich stelle erstaunt fest, dass ich bisher mein normales Gehtempo hatte. Ich esse etwas, auch wenn ich nicht mag. Anschließend lege mich ins weiche Heidekraut und döse etwas.
Um 13 Uhr raffe ich mich auf. Ich habe fast 45 Minuten Mittagspause gemacht und es geht mir zumindest nicht schlechter. Ich wandere weiter am Bergrücken entlang westlich des Vássjájávrátja. Da ich nicht auf seiner höchsten Erhebung entlang wandere, sehe ich den See nicht. Dafür stoße ich auf eine alte Wegmarkierung. Das Steinmännchen besteht aus einer ganzen Reihe von Steinen die kunstvoll aufgeschichtet sind. Es ist eindeutig alt und könnte zum Präststigen gehören. Es ist die historische Route auf dem die Priester von Kvikkjokk nach Alkavare gewandert sind. Nur wird der Weg weiter östlich, auf der anderen Seite des Vássjájávrátja, vermutet. Weitere Markierungen sehe ich nicht und so folge ich meiner Nase nach.
Wenig später komme ich zum kleinen namenlosen See südlich des Vássjájávrátja. Ich laufe direkt auf ein weiteres historisches Steinmännchen zu. Es steht prominent am Ufer des Sees und trotzdem sehe ich es erst recht spät. In der Ferne kann ich den Låptåtjåhkkå erkennen. Südlich davon befindet sich der Buojdes. Links erhebt sich ein Hügel am Seeufer und so orientiere ich mich erst nach rechts. Allerdings erscheint es mir nach wenigen Metern mühsamer, als auf den Hügel zu gehen. Ich drehe um und steige über einen Rentierpfad auf. Im Sattel oben stoße ich auf ein weiteres Steinmännchen. Es ist anders gebaut, aber sieht auch nicht neueren Datums aus. Ich sehe wieder keine folgende Markierung und bleibe oben auf dem Hügel. Sicher bin ich nicht, ob dies eine gute Idee ist oder ob ich am anderen Ende nicht absteigen kann. Dann scheuche ich aber zwei Rentiere auf, die auch in diese Richtung flüchten.
Am Südende lege ich eine kurze Pause ein. Vor mir liegt ein Sumpfgebiet. Drei Rentiere laufen herum. Ich kann keinen weiteren Grund erkennen, als die Freude am Rennen. Das Wasser spritzt auf. Dort sollte ich also nicht langgehen. Dann wechseln sie auf festen Grund und laufen plötzlich direkt auf mich zu. Ich kann die Kamera gar nicht so schnell einstellen. Im letzten Moment sehen sie mich und ändern die Richtung. Was für ein toller Augenblick. Ich schaue auf die Karte um für das nächste Stück die Route auszuknobeln.
Zeit weiter zu gehen. Östlich von mir erheben sich die Gipfel Vássjábákte und Vássjátjåhkkå. Von dieser Seite haben sie eine sanfte Rundung und es lässt sich nicht erahnen, dass die Nordseite steil zum Njoatsosvágge abfällt. Ich habe mich entschieden auf der östlichen Seite der Sumpffläche entlang zugehen und über einen unscheinbaren Bergrücken am Fluss entlang nach Süden aufzusteigen. Inzwischen fühle ich mich von den Rentieren unter Beobachtung. Immer wieder taucht ein einzelnes Rentier in sicherer Entfernung auf einen Hügel auf und stiert mich an. Ich wechsele die Bachseite um dann doch wieder auf die andere Seite zu gehen, da dort weniger Steine sind.
Ich erreiche schließlich auf 1020 ein kleines Plateau mit zwei Seen. Diese sehe ich erst einmal nicht. Dafür stoße ich auf die Reste eines kapitalen Rentiers. Am Schädel sind noch beide Geweihe. Die Knochen von Wirbelsäule und Rippen sind ebenfalls vorhanden. Zwei Meter daneben liegt ein Großteil des Fells. Ich mache Fotos und fühle mich beobachtet. Als ich aufblicke sehe ich gleich auf drei Hügeln Rentiere, die schauen was ich da so mache.
Die Landschaft ist irgendwie schön. Hinter jedem Hügel kommt etwas anderes. Allerdings verzettel ich mich, denn diese unscheinbaren Hügel versperren die Sicht aufs große Ganze. Ein Blick aufs GPS zeigt mir, ich bin mal wieder nach oben mit Richtung zum Låptåvárásj unterwegs. Noch rechtzeitig ändere ich die Richtung um auf die Furt des Flusses vom Låptåvárásj zu treffen. Diese befindet sich in einer scharfen Linkskurve. In der Karte teilt sich der Fluss und geht in einen kleinen See über.
Die Stelle ist so gut wie erhofft. Zudem fließt kaum Wasser, so dass ich nur am anderen Ufer einen großen Schritt machen muss. Dort esse ich eine Kleinigkeit und fülle mein Trinkwasser auf. Ich folge dem Fluss und wandere westlich des Hügels 1080 entlang. Unter mir im Tal liegt der markante See Darreluoppal. Wenig später kann ich auch die Tarraluoppalstugorna sehen. Und über mir scheint wieder ein altes Steinmännchen auf dem Bergrücken den Weg zuweisen.
Weiter den Hang entlang kommt der Nuortap Gárránistjåhkkå in Sicht. Ich bleibe auf der Höhenlinie und komme direkt zur Furt am Gárránisjågåsj. Davor tront auf einem Felsblock ein schönes Exemplar eines Prieststieg-Steinmännchens. Es ist kurz nach 16 Uhr und mein Kopf schmerzt immer noch. Ich mag nicht mehr und schaue mich nach einem Zeltplatz um. Es liegen viele Steine herum. Weiter oben gibt es kleine Terrassen und ich sehe Flecken mit Heidekraut. Ich lasse meinen Rucksack stehen und gehe den Hang hinauf. Ich will schon aufgeben, als ich den idealen Zeltplatz finde. Es wirkt auf dem trockenen Gras irgendwie wie ein fliegender Teppich. Ich hole meinen Rucksack und baue das Zelt auf.
Auch wenn es mir den ganzen Tag nicht gut ging, habe ich immerhin 11 Kilometer geschafft. Hunger habe ich nicht, aber dann entdecke ich die Kartoffelsuppe. Genau das richtige. Um 18:10 fliegt der Hubschrauber wieder die Tarraluoppal-Hütte an und verlässt sie nach 20 Minuten wieder Richtung Kvikkjokk. Der Linienflug nach Stáloluokta findet ebenfalls statt. Eigentlich ein schöner Platz hier. Ich kann bis zu den norwegischen Gipfeln blicken und den Gasskatjahkka ausmachen. Ich gehe früh ins Bett und hoffe ich schlafe diese Nacht besser.
Regen und eiskalter Wind von vorne
Am nächsten Morgen geht es mir besser. Ich habe trotz kaputter Luftmatratze sehr gut geschlafen. Die schöne weiche Heide-Unterlage hat ihren Teil dazu beigetragen. Dafür regnet es, ohne Aussicht auf wirkliche Besserung. Ich frühstücke ausgiebig. Grießbrei und etwas später die letzte Portion Rührei. Von den umgebenen Bergen ist nichts mehr zu sehen. Die Wolken hängen einfach zu tief.
Rund 9 Kilometer sind es bis zum Buojdes-See, den ich eigentlich gestern schon erreichen wollte. Mein Plan war dies heute nachzuholen und möglichst noch ein Stück weiter zu kommen. Noch habe ich einen Reservetag und notfalls sogar einen zweiten. Aber die letzten Etappen werden immer länger, weil ich hinter meiner Planung bin. Eigentlich habe ich es lieber, wenn ich es am Ende gemütlich machen kann. Es regnet den ganzen Tag. Dazu weht ein eiskalter Wind von Südost, also von vorne. Ich wäre total durchnässt und Spaß macht es auch nicht gerade bei sowas zu wandern. Für morgen sagt der Wetterbericht besseres Wetter voraus. Ich müsste also 17 statt 9 Kilometer zurücklegen.
Am Nachmittag werden die Regenpausen deutlich länger. Der Wind bleibt. Ich esse mich durchs Resteprogramm. Mittags ein Quoin-Cup Mexikanisch, dann noch eine Heiße-Tasse, einen Cappuccino findet sich auch noch. Damit ist die Gaskartusche leer. Sie hat diesmal viel länger gehalten als erwartet, obwohl ich schon seit Tagen das Gefühl hatte sie sei fast leer. Mit jeder Stunde wird der Rucksack leichter.
Um 17 Uhr lockert es auf und die Sonne scheint sogar. Ich esse Sauerkraut mit Kassler und Kartoffelpüree zu Abend. Um halb sieben steige ich in einer Regenpause den Hang hinter mir hinauf. Ein markanter goldfarbener Felsen erweckt meine Aufmerksamkeit. Kaum habe ich ihn erreicht, naht auch schon die nächste Regenwolke. Ich schaffe es gerade bis zum Zelt. Dann gießt es draußen wieder.
Darreluoppal BLT
Lage: Padjelantaleden
Lat/Lon: 67°11'34" N, 17°7'21" E
Anzahl Betten: 36
Proviantverkauf: ja
Betreiber: Badjelánnda Laponia Turism
Link: BLT Darreluoppal Stugor
11.2023