Treriksröset am Dreiländereck
Um 7:30 scheint die Sonne ins Zelt an der Autiotupa Hütte. So langsam erwacht der Platz zum Leben. Ich frühstücke und packe ein. Als ich loswandern will, steht vor der Hütte ein Finne und wir unterhalten uns noch etwas. Die kleine Gruppe in der Hütte ist am Vortag mit dem Boot über den See gekommen und will heute zurückwandern. Der Rest schläft aber noch und so packt er nun auf der Veranda seinen Schlafsack ein. Mein Zeltnachbar will ebenfalls nach Kilpisjävri und das scheint auch für die anderen Zelter zu gelten. Für mich steht als Erstes das Dreiländereck mit seinem markanten Grenzstein Treriksröset an.
Zurück auf dem Kalottireitti sind es nur weitere 200 Meter bis zu einer Öffnung im Rentierzaun. Das merkwürdige Konstrukt soll verhindern, dass auch Rentiere hier die Seite wechseln. Felsen liegen im Durchgang und zuvor muss ich über eine massive Querstrebe steigen. Das fällt auch mir mit etwas kürzeren Beinen schwer. Auf einem Metallsteg geht es nun zum Ufer des Golddajávri, wo der markante gelbe Betonsockel steht.
Riksröse - Grenzmarkierungen
Die Grenzmarkierungen zu Schweden sind in der Regel riesige aufgeschichtet Steinmännchen (röset), deren Basis gelb angemalt ist. Ein senkrechter Stein, der Herzstein, markiert die Mitte und hat die jeweiligen Insignien sowie die Jahreszahl der Errichtung eingemeißelt. Sie stehen entlang der Schwedisch-Norwegischen und Schwedisch-Finnischen Grenze und sind mit RR für Riksröse (Reichssteinmännchen) und einer Nummer, teilweise ergänzt um Buchstaben, in den Karten eingezeichnet. Riksröse mit besonderer Bedeutung haben einen Namen bekommen wie Treriksröset oder Pånoröset. Während es zwischen Norwegen und Schweden rund 200 dieser Grenzmarkierungen gibt, verläuft die Grenze nach Finnland vor allem in der Mitte von Gewässern. Von den insgesamt 45 Grenzmarkierungen befinden 4 am Dreiländereck.
Treriksröset, Treriksrøysa oder Kolmen valtakunnan rajapyykki
Den Treriksröset will ich mir natürlich genauer anscheuen. Ich passiere den Gedenkstein zur Einweihung des Nordkalottledens am 2.9.1993. Wobei ich noch in Finnland bin, also des Kalottireitti. Ein Wanderweg - drei Namen ist auch gewöhnungsbedürftig. Das gilt auch für die Grenzmarkierung, die in Finnland den langen unaussprechlichen Namen Kolmen valtakunnan rajapyykki trägt, während das Norwegische Treriksrøysa dem Schwedischen Treriksröset sehr ähnlich ist. Für die Erbauer dieses Grenzsteins, der 1926 neu errichtet wurde, nachdem der vorherige mehrmals durch Eisgang zerstörrt wurde, gibt es ebenfalls eine steinerne Gedenktafel. Mit Valde Wiik ist der erste Parkwächter des 1938 gegründeten Malla-Naturparks vermerkt.
Der Steg erlaubt das Umrunden der im Wasser stehenden Grenzmarkierung. Einmal rund um den Grenzstein und ich habe Finnland, Schweden und Norwegen besucht: Skandinavien - the American Way.
Ich stehen nun also am nördlichsten Punkt Schwedens und am westlichsten Punkt von Finnland. Wer von Süden kommt und hier kurz vorm Ziel seiner Tour steht, für den ist es bestimmt ein besonderer Punkt. Für mich aber im Augenblick nur ein gelber Betonklotz.
Die Grenzziehung war lange ungenau und auch etwas umstritten. Und so hat der Stein nicht nur drei Namen, sondern auch drei Jahreszahlen. Auf der Norwegischen Seite des Grenzstein steht 1897, Schweden hat 1901 und Finnland 1926. Bei einer Grenzinspektion zwischen Norwegen und Russland wurden 1897 zwei kleine Markierungen nicht gefunden und ein Punkt im Golddajávri festgelegt. Schweden war erst 1901 bei einer gemeinsamen Inspektion anwesend und erkannte die Grenzmarkierung an. Finnland erklärte 1917 die Unabhängigkeit von Russland und bei der Neuerrichtung 1926 wurde der russische Herzstein mit einem Finnischen ersetzt.
Von Finnland nach Schweden
Ich gehe zurück zum Kalottireitti und passiere nach 100 Metern die Grenze nach Schweden zwischen RR 1a und RR 1b. Und auch wenn ich in Schweden bin, stehen hier noch finnische Wegweiser. Rund 13 Kilometer sind es zu Pältsastugan. Als Nächstes muss ich einen Rentierzaun überwinden. Hier liegt ein Gitter im Durchlass und der Zaun ist auch im Weg. Rechts zwischen Gitter und Baum liegt ein Felsen und ich bin nicht die einzige die sich dort über den herunter getretenen Zaun vorbeischummelt. Ich erreiche einen schwedischen Wegweiser. Grövelsjön 1300 Kilometer sind es für denjenigen, der in Schweden das Grüne Band (Gröna Bandet) nach Süden wandern möchte.
Durch den Fjällbirkenwald im Kalfjäll entgegen
Ich passiere einen weiteren Rentierzaun und dann biegt der Nordkalottleden nach Süden ab. Ein Wegweiser fehlt hier, aber der schmale Pfad ist so deutlich ausgetreten, dass ich ihn nicht verfehlen kann. Die Pältsastugan ist die nördlichste schwedische STF Hütte und liegt südlich des Höhenzugs Duoiba. Die nächsten 1½ Kilometer geht es vorwiegend durch Fjällbirkenwald. Ich passiere eine Lichtung mit einem See. Hier kommt der Wind an und so gleich sind die Mücken verschwunden. Die Quälgeister haben eine Vorliebe für den rechten Oberarm. Das war schon gestern so. Heute habe ich zumindest etwas Djungelolja auf die hintere Schulter aufgetragen, da ich die Biester dort nicht sehe. Das DEET-haltige Myggmedel ist zwar schon 10 Jahre alt, wirkt aber immer noch. Und, auch wenn ich eher selten gestochen werde habe ich es zum Glück eingepackt.
Aufstieg auf den Höhenzug Duoibal
Als ich das Kalfjäll erreiche und aus dem Birkenwald komme, ist mir der Wind gleich wieder zu viel. Es weht richtig kräftig und zwar von vorne. Der riesige Rucksack wirkt wie ein Bremsfallschirm. Dafür kann ich nun das Tal entlang sehen. Gegenüber thronen der Iso-Malla und Golddabákti. Südlich davon müsste die Goldahytta liegen, aber erst als ich die Karte zu Hilfe nehme, kann ich die Hütte zwischen den Bäumen ausmachen. Über den See Golddajávri kann ich weit ins Breidalen blicken und auch das Stordalen mit dem Bárrás erkenne ich. Der See Kilpisjävri versteckt sich dagegen hinter dem Baikkasvárri.
Gegen 10 Uhr erreiche ich die Brücke über den Fluss, der vom Dánta kommt. Zeit für die erste Stärkung. Ich suche mir einen windstillen Platz und esse zwei Scheiben Knäcke mit Käsecreme und Kalles-Kaviar. Ein Wanderer mit Ultraleicht-Rucksack kommt schnellen Schrittes den Hang hinab, grüßt kurz und schon bin ich wieder alleine. Auf den nächsten 2½ Kilometern muss ich nun 200 Höhenmeter aufsteigen. Nach dem Zusammenschluss mit dem Weg aus Golddaluokta ist die Hochebene dann fast erreicht.
Nach dem anstrengenden Vortag fühlt sich der Rucksack heute irgendwie schwerer an. Ich spüre meine Beine etwas, aber vor allem macht mir der Wind zu schaffen. Ich kämpfe mich Schritt für Schritt nach oben. Irgendwann muss doch die verdammte Abzweigung nach Golddaluokta kommen. Als im sonst trockenen Flusslauf neben mir plötzlich Wasser plätschert, nutze ich die Gelegenheit und mache Mittagspause. Während ich die Asia-Nudeln esse, sehe ich zwei Wanderer oberhalb von mir aufsteigen und als wenig später zwei weitere aus Golddaluokta kommen, entdecke ich auch den Wegweiser. Rund 200 Meter dürften es noch sein.
Über die Hochebene zum Ruovddášvággejávri
Frisch gestärkt mach ich mich an die letzten Höhenmeter. Das Gelände wird steiniger, aber der schmale Nordkalottleden ist deutlich ausgetreten und lässt sich gut wandern. Was auf der 1:100.000er Karte recht eben wirkt, stellt sich als hügelige Landschaft heraus. Es geht auf und ab und mit lahmen Beinen ist es doppelt so anstrengend. Die Hoffnung hier oben, hinter den südöstlichen Bergen, etwas Windschutz zu haben erfüllt sich leider nicht.
Als Etappenziel hatte ich das Gebiet am Ruovddášvággejávri auserkoren. Auf halber Strecke ist am Zufluss zum Láhkonjoaskejávrrit eine Brücke eingezeichnet. Bei ihr will ich noch einmal eine Pause einlegen. Ich wähne mich schon am richtigen Ort und gehe freudig zum Flusslauf abwärts, nur leider gibt es keine Brücke. Ich krame dir Karte hervor. Noch rund einen Kilometer sind es, da war mein Kopf wohl schneller als die Beine.
Beim Abstieg zum Láhkonjoaskejávrrit warnt mich ein Schild an der Winterwegmarkierung vor Schneeverwehungen: Hängdriva kan förekomma. Schnee gibt es zum Glück keinen mehr, aber ich sehe schon den nächsten Anstieg näher kommen. Und so langsam scheine ich doch nicht zu sein, denn zwei der Wanderer von heute Mittag nehmen gerade die Steigung in Angriff.
Nach einer kurzen Pause folge ich ihnen und bin schneller auf dem Pass als befürchtet. Nordwestlich liegt ein See und ich überlege kurz, ob ich an dessen Ufer das Zelt aufschlagen soll. Ich steige aber zum Ruovddášvággejávri ab und finde nördlich des Zuflusses einen schönen Platz mit tollen Blick über das Tal des Bealčánjohka zum Bávššatbákti. Rund 11,3 Kilometer waren es am heutigen Tag.