Ein strahlend blauer Himmel erwartet am Morgen im östlichen Kårsavagge (Gorsavággi). Zum Frühstück gibt es Kartoffelpüree. Nach einem langen Tag gestern, lasse ich es langsam angehen. So zumindest ist mein Gefühl. Der Rucksack ist irgendwie immer voll, auch wenn ich viel weniger drin habe als zum Anfang meiner Tour. Ich bin dann doch schon um 9 Uhr fertig und verabschiede ich mich vom Platz am Kårsajåkka. Füße und Knie schmerzen noch vom Vortag.
Heute will ich das Kårsavagge durchwandern und am westlichen Ende zum Harpasset aufsteigen. Ob heute noch oder morgen wird der Tag entscheiden. Für den Aufstieg gibt es drei Möglichkeiten. Am grünen Tisch hatte ich mich zu Hause für das mittlere Tal, das Guoblavággi entschieden. Auch unter dem Aspekt, dass ich, sollte ich vom Trollsjön aufsteigen, dann westlich vom Guoblačorru entlang wandern würde. Erstes Ziel ist die Kårsavaggestugan, die ungefähr in der Talmitte liegt. Von ihr kommt man durch eine Furt auf die andere Flussseite und weiter zur Abiskojaurestugorna und nach Norden den Talhang hoch durch das Latnjavãggi zur privaten Låktatjåkko fjällstation. Oben im Latnjavãggi befindet sich zudem eine Forschungsstation der Abisko naturvetenskapliga station (ANS).
Gleich an der ersten Flusskurve passiere ich den Pfad hinauf über den Pass Lulip Čáhcenjoaski ins Gohpasvággi. Das tief eingeschnittene Kårsavagge wird auf beiden Seiten von hohen Bergen begrenzt. Unterhalb der nördlichen Steilwand wächst Fjällbirkenwald bis zum Vuolimus Gorsajávri und so verläuft der Weg zwischen Fluss und Wald. Im Zickzack geht es um Gebüsch, Sträucher und Bäume. Dazwischen liegen Heideflächen.
Es ist schönes Wetter und die ersten Wanderer aus der Kårsavaggestugan kommen mir entgegen. Um 10 Uhr meldet sich mein Magen und ich nutze einen großen Stein für eine Pause. Heute gibt es statt Knäckebrot Polarbröd mit Rentier. Während ich die Sonne genieße, kommt mir ein Trupp der schwedischen Armee entgegen. Als ich weiter wandere, kommt die nächste Gruppe auf dem schmalen Pfad und ich mache Platz. Reicht ja schon das ich 20 mal Hej sage. Der dritten Gruppe begegne ich im Gestrüpp und als ich energisch winke, gehen sie nach meiner Zusicherung es sei wirklich für mich in Ordnung, wenn ich warte, an mir vorbei. Die Vierte setzt sich dagegen durch und die Fünfte entgegnet einer Diskussion, indem sie die Rucksäcke für eine willkommene Pause absetzt. Gibt es da eigentlich Regeln, außer freundlich zu grüßen? Interessanterweise hatten alle einer der ersten Gruppen den Hosenschlitz offen. Der robuste Stoff der langen Hose schien warm zu sein. Die Hosenlüftung Schwedish-Army-Style sollte ich mir merken.
Als Nächstes kommen drei Frauen, die mir erzählen, die Armee hätte eine nächtliche Übung an der Kårsavaggestugan abgehalten. Die letzte Gruppe war auf alle Fälle ziemlich erschöpft gewesen. Insgesamt 100 Personen sollen dort gewesen und durch den Sumpf gekrochen sein. Keine weiteren Soldaten also mehr. Aufgefallen war es nur einem Hundebesitzer, der um Mitternacht mit seinem Hund Gassi gehen musste. Die Kårsavaggestugan war zudem voll belegt und so kommen mir nun entlang des Vuolimus Gorsajávri einige Wanderer entgegen.
Gegen 12 Uhr kommt der Gaskkamus Gorsajávri mit der Kårsavaggestugan in Sicht. Ich werde vom ersten Tagesausflügler überholt. Bevor ich aber den See erreiche, muss ich den Fluss aus dem Latnjavãggi queren. Er fließt als Wasserfall die Steilwand herab und irgendwo dort geht auch ein Pfad hinauf. Viele der Bäche waren am Weg trocken, diesmal läuft aber ordentlich Wasser den Hang herab. Es dauert etwas, bis ich im Geflecht von Pfaden durch Weidengebüsch eine Stelle finde um die beiden Hauptarme in Schuhen zu queren. Dort wo mich der Weg eigentlich hinführt, strömt nämlich am anderen Ufer das Wasser durch die Weiden.
Ich überlege, ob ich mir hier eine Stelle suche, um Mittag zu machen, aber ich beschließe noch etwas weiter zuwandern. Mit der Querung habe ich das östliche Ende des Gaskkamus Gorsajávri erreicht. Der Weg führt weiter oben im Hang entlang, quert einige Hügel und Sumpfflächen.
Gegen ein Uhr erreiche ich die Hütte des Stugvards. Es ist Waschtag und die Hüttenwartin hängt die frisch gewaschenen Küchenhandtücher auf. Freudig werde ich erwartet, aber als ich noch nicht einmal an der angepriesenen Badestelle baden will, stoße ich auf Unverständnis. Zudem versteht sie nicht, das ich weiter hinten im Tal und nicht hier in das Latnjavãggi aufsteigen will. Meistens kennen sich die Hüttenwarte in der Umgebung zur Hütte sehr gut aus, diesmal scheint es nicht so zu sein. Direkt unterhalb der Hütte am Seeeinfluss liegt die Furt, um auf den Pfad zur Abiskojaurestugorna zu gelangen.
Ich passiere die Hütte und finde auch gleich einen Pfad weiter ins Tal hinein. Die Krümmung des Kårsavagge verhindert weiterhin, dass ich das Ende das Tal sehen kann. Ein massives Stativ steht einsam in der Landschaft herum. Von der Hütte geht es wieder ein kurzes Flussstück entlang und dann erreiche ich den westlichen See, bzw. wie der Name sagt den höheren, Baijmus Gorsajávri. Langsam wird es Zeit für die Mittagspause. Ich fasse eine Landzunge ins Auge, die weit in den See reicht. Davor scheint ein feuchteres Uferstück zu kommen, des es wächst reichlich Weidengestrüpp. Die Füße bleiben aber trocken. Auf der ersten Halbinsel macht eine Familie Pause.
Kurz nach halb zwei erreiche ich meine Landzunge. Ich setzte mich in den Windschatten und koche mir Asia-Nudeln. Solange die Sonne scheint, ist lässt es sich gut aushalten. Noch immer bin ich mir unschlüssig, ob ich dem Trollsjön einen Besuch abstatten soll. Dafür müsste ich eigentlich heute bis zum Harpasset kommen, morgen zum Trollsjön absteigen und übermorgen den steilen Hang am Gearggečorru aufsteigen. Da mein Garmin mit dem GPS-Track nicht mehr startet, fehlt mir allerdings die genauere Route. Zudem macht sich weiterhin das Knie bemerkbar. Als nach einer Stunde die Sonne hinter einer Wolke verschwindet, bin ich immer noch nicht schlauer geworden, aber es wird Zeit weiter zuwandern. Und auch wenn ich es mir nicht eingestehen will, meine Trödelei zeigt mir, eigentlich habe ich mich schon entschieden...
Weiterhin gibt es einen deutlichen Pfad, der unterhalb der Steilwand des Latnjačohkka dreitk am Ufer verläuft. Auf der Höhe der Seemitte, gibt es eine weitere Landzunge, die mir einen Anstieg beschert. Um 15 Uhr kann ich endlich das westliche Ende des Baijmus Gorsajávri sehen. Am Talende reckt sich der Biran in den Himmel. Zwischen Biran und Gorsačohkka liegt das Gletscher-Tal des Gorsajiekŋa (Gorsajökeln). Noch sind aber nur die grünen Hänge im unteren Teil des Tales einsehbar. Die nördlichen Hänge sind recht steil und ich müsste mindestens 400 Höhenmeter aufsteigen bis ich einen Platz fürs Zelt finden würde. Folglich beschließe heute nicht mehr auszusteigen und stattdessen nach einem schönen Platz hier unten zu suchen.
Die Wiesen im Talgrund zwischen See und Biran sehen zwar verlockend aus, aber sie wirken aus der Ferne auch sehr feucht. Auf halber Strecke zwischen See Baijmus Gorsajávri und dem Fluss aus dem Guoblavággi ist in der Karte eine Spur nach oben eingezeichnet. Das dürften noch rund zwei Kilometer sein. Ich wandere weitere und halte nun meine Augen offen. Eben hatte ich noch eine kleine Wiese gequert, aber zurück will ich nicht gehen. Der Uferstreifen ist schmal und feucht oder steinig.
Der Hang wird durch überwachsene Moränen hügeliger. An einem trockenen Bachlauf habe ich den Eindruck, als ob es etwas weiter oben eine Ebene gibt. Der Ehrgeiz hat mich gepackt und ich quäle mich den Hang hoch. Oben angekommen gibt es zwei eine Ebene, aber es stehen hohe Sträucher dort. Am Rand würde zwar ein Zelt passen, aber schön finde ich es nicht. Nun werde ich auch noch wählerisch. Ich setzte mich erst einmal und mache Pause. Ein Wanderer kommt mir entgegen und wundert sich bestimmt was ich das oben herum krauche. Ein kurzes Winken zum Gruß. Bevor ich wieder absteige, gehe ich noch zur nächsten Erhöhung, aber auch hier gilt zelten nur am Abgrund möglich. Ich steige wieder ab und schaue auf der anderen Bachseite am Ufer. Hier ist es zwar eben, aber sehr steinig. Also weiter ins Tal hinein.
Ich bin noch nicht ganz am Ende des Baijmus Gorsajávri als mir gegen 16 Uhr weiter oben im Hang wieder eine Fläche mit Krähenbeeren auffällt. Oben angekommen stoße ich auf einen zweiten Pfad. Die Fläche ist aber groß und eben genug und so baue ich mein Zelt mit Blick auf ein Einstieg ins Hochtal Guoblavággi auf. Es weht leicht und da es morgen auch schön sein soll wasche ich etwas. Ich habe rund 10 Kilometer zurückgelegt. Noch immer zwickt das Bein unterhalb des Knies. Und als ob ich nicht schon genug Wehwehchen habe, ziehe mich mir mit einem Salzlakritz auch noch ein Stück vom Zahn. Zum Abendessen gibt es wieder glutenfreie Pasta mit Tomatensauce. Ich lasse sie diesmal gleich lange kochen und so schmecken sie besser als befürchtet.
Kårsavagge Fjällstuga STF
Lage: Abiskofjäll
Lat/Lon: 68°20'4" N, 18°30'3" E
Anzahl Betten: 10
Proviantverkauf: nein
Betreiber: STF Svenska Turist Foreningen
Link: STF Kårsavagge Fjällstuga
10.2024