Morgendliches Fußbad im Áslajohka
Der Morgen beginnt mit tiefen, dunklen Wolken und Regenschauern auf der Hochebene am Áslatvárri. Am Abend war das Wetter noch sehr schön und ich hatte mich gefragt, ob ich nicht vielleicht das Zelt zu früh aufgebaut hatte. Nun, mit dem prasselnden Regen auf dem Zeltdach, bin ich froh nicht weiter oben in den Wolken zu zelten. Ich frage einen neuen Wetterbericht übers inReach an und der verspricht ab Mittags besseres Wetter. Soll ich ihm diesmal glauben? So zuverlässig sind die Vorhersagen dieses Jahr nicht und auch Norweger sind etwas genervt, dass der Wetterbericht nicht stimmt. Es scheint ein allgemeines Problem zu sein. Da ich aber keine Lust habe, durch die feuchten Wolken zu wandern und ein nasses Zelt einzupacken, beschließe ich zu warten.
Gegen 11 Uhr sehe ich einen Regenbogen und südlich den ersten blauen Himmel. Zeit einzupacken. Ein Rentier kommt vorbei und quert den Áslajohka an der Furt. Der erste Wanderer, vermutlich an der Dærtahytta gestartet, folgt dick verpackt in Regenkleidung. Ich ziehe mir gleich die Cros an und queren den Áslajohka direkt am Übernachtungsplatz. Er fließt hier über kleine Steine und ist nur etwas zu tief für meine Wanderschuhe.
Nach dem erfrischenden Fußbad wechsel ich in die Wanderstiefel und beginne gegen 12:45 die Etappe, indem ich quer über die Heideflächen zur Nordkalottruta gehe. Dabei stöbere ich eine Falkenraubmöwe auf.
Aufstieg ins Gassavággi
Kaum ist der Wanderweg erreicht, beginnt der Aufstieg an einem Flusslauf entlang auf das rund 200 Meter höher gelegene Gassavággi. Inzwischen überwiegt das Blau am Himmel und ich hätte heute Morgen nicht gedacht, noch so schönes Wetter zu bekommen.
Ich quere einen schmalen, sprudelnen Zufluss, der unter einem Felsen herauskommt. Ob Quelle oder unterirdischer Flusslauf kann ich nicht erkennen, aber oberhalb des Felsens ist der Boden trocken. Ein weiterer Wanderer rauscht mit einem kurzen Hej an mir vorbei Richtung Rostahytta. Auf 880 Meter Höhe flacht das Gelände ab. Über grüne Geländestufen geht es nun weniger steil bergan. Ich lege meine obligatorische Knäckebrot-Pause ein und genieße die Aussicht. Als ich weiter gehen will, kommen zwei weitere Wanderer den Hang hinab. So langsam bekomme ich ein schlechtes Gewissen mit meinem späten Start.
Das Gelände wird steiniger und als ich mich dem westlichen Gassavákkejávrrit nähere, verschwindet die Sonne kurz hinter aufziehenden Wolken. Am grünen, westlichen Ufer hatte ich geplant gestern zu zelten, nun erreiche ich den Ort erst um 14 Uhr. Der Wind ist hier oben ohne Sonne recht frisch. Hinter den Seen ist bereits der namenlose, steinige Berg zu sehen, um dessen P1127 es östlich herumgeht. Zuvor aber wandere ich am nördlichen Ufer der beiden Seen Gassavákkejávrrit entlang. Am östlichen Gassavákkejávrrit steht ein Zelt direkt neben dem Weg und jemand angelt am anderen Ufer.
Furt am Gassavákkejohka
Aus dem östlichen Gassavákkejávrrit entspringt der Gassavákkejohka, denn es nun zu queren gilt. Die markierte Furt ist wieder etwas für jemand mit langen Beinen, aber ich finde davor bereits eine Stelle um über trockene Steine ans andere Ufer zu gelangen. Plötzlich spring mir ein kleiner Röding (Saibling) vor die Füße und ehe ich mich entscheiden kann, ob er noch zu klein für die Pfanne ist, springt er wieder ins Wasserloch und verschwindet unter den Steinen.
Nun beginnt der Anstieg auf einen lang gezogenen Pass mit einem Meer aus Steinen. Die ersten Höhenmeter sind die Steine noch mit Erde bedeckt und die Nordkalottruta folgt den grünen Inseln aufwärts. Dann aber geht es über Blockfelder zwischen den 1127 und 1077 hindurch. Zum Glück sind die meisten Steine flach und so strengen die Kilometer zwar an, lassen sich aber trotzdem recht gut wandern. Auf 1033 Meter Höhe erreiche ich ein großes Steinmännchen. Der höchste Punkt der Etappe, und sogar der Strecke Kilpisjärvi - Abisko, ist erreicht. Durch den recht flachen Charakter des Passes ist die Aussicht beschränkt. Ein Wegweiser zweigt noch 4,5 Kilometer bis zur Dærtahytta an.
Øvre Dividal Nationalpark
Langsam beginnt der Abstieg und nach rund einen Kilometer quere ich die Grenze in den Øvre Dividal Nationalpark. Dieser wurde 1971 gegründet und der samische Name für das Dividalen, Dieváidvuovddi, bedeutet hügeliges Waldtal. Noch aber ist von Wald nichts zu sehen.
Und auch die großen Raubtiere wie Bär, Wolf und Luchs, sowie Polarfüchse verbergen sich gut vor mir. Auch wenn es mich mal reizen würde einem Vielfraß zu begegnen und es hier die dichteste Population Nordeuropas geben soll, bin ich doch ganz froh, keinen zu sehen. Erst im 18. Jahrhundert drangen norwegische Siedler in das Gebiet vor, während schon damals die schwedischen Sami seit Generationen im Frühjahr ihren Rentieren in das Herz des Parks folgten, wo diese ideale Bedingungen zum Kalben vorfinden.
Über nun doch größere Felsen steige ich zum Rákkasgurajávri ab. Wolken sind aufgezogen und im Wind ist es kalt. Am kleinen See-Zufluss lege noch einmal eine Pause ein. Weitere Blockfelder sind am Seeufer zu queren, aber alles gut machbar. Zelte stehen in Seenähe und unter einem rechteckigen Moskitonetz, der an einen Käfig erinnert, sitzen einige Leute. Es scheinen weitere Angler zu sein. Was wohl die Moskitos von diesem Käfig halten?
Der Weg führt auf einen kleinen Pass und dann geht es richtig steil runter in das schmale Tal östlich des Buoššir. Weiter unten kann ich schon die Dærtahytta im grünen Deartavággi sehen. Direkt unter mir liegt der See P839 und lockt mit seinen grünen Wiesen. Erst einmal muss ich aber über die Felsen absteigen. Es geht Zickzack durch das Geröll und alte Markierungen gibt es zu meiner Verwirrung auch noch. Ich strebe weiter unten auf die Heideflächen zu und finde nordöstlich vom See einen ebenen Platz.
Gegen Abend klart es auf und ich bin froh, das mein Zelt im Bergschatten des Buoššir steht. Der Wetterbericht verspricht für morgen wieder gutes Wetter und ich hoffe, dass die Sonne nicht nur Nachts scheint. Viele Wanderer sind deshalb noch spät Abends unterwegs. Meine innere Uhr mag sich nicht so umstellen. Ich esse Couscous in grüner Pfeffersauce mit getrockneten Datteltomaten und Rentiersalami zum Abendessen. Anschließend blicke ich auf die Karte. Bis zur Furt am Skáktárjohka sind es rund 20 Kilometer. Ob ich es morgen schaffe, so weit zu kommen? Heute bin ich am Nachmittag 10 Kilometer gewandert. Zu wenig, um in meinem Plan zu bleiben. Ich komme immer mehr ins Hintertreffen und bräuchte mal einen langen Tag. Alles hängt von einem frühen Start ab.