Die Sonne scheint am Morgen und der Baijmus Gorsajávri liegt spiegelglatt da. Schon um 6 Uhr hatte sich ein kleiner Vogel ins Vorzelt verirrt. Irgendwann saß er auf der Stange vom Innenzelt und hat mir ein Lied gezwitschert. Der tierische Wecker ist mir jedoch zu früh eingestellt, zumal die Nacht recht kalt war. Ich öffne den Reißverschluss vom Außenzelt und er fliegt von dannen. Der Entschluss statt noch zum Trollsjön abzusteigen gleich vom Harpasset Richtung Abisko zu wandern steht weiterhin.
Gegen halb neun quäle ich mich aus meinem Schlafsack und bewundere die Spiegelungen im Baijmus Gorsajávri. Kein Lufthauch weht über das Wasser. Zum Frühstück gibt es das gleiche wie zu Mittag und am Abend. Es ist Kartoffelpüree-Tag. Als ich kurz vor 10 Uhr los Wandere, kräuselt sich das Wasser leicht und von der tollen Spiegelung ist nichts mehr übrig. Ich folge den Pfad weiter ins Tal. Im Talgrund mäandern die Flüsse durch die große Grasfläche. Für mich gilt es nun den Pfad hoch ins Guoblavággi zu finden. Oder soll ich doch den anderen Aufstieg westlich des Guoblačorru entlang nehmen? Dort ist das steile Stück weiter oben im Tal und noch nicht einsehbar. Ich bleibe beim Guoblavággi und suche den Hang nach Wegspuren oder Steinmännchen ab.
Der Pfad führt zu einem markanten Hügel, auf dem früher eine Kåta stand. Hier treffe ich auf einen alten Wegweiser ohne Schilder. Dafür liegt eine verrostete Schaufel ohne Stiel auf den Steinen. Das dürfte die Abzweigung ins Guoblavággi sein. Und auch ein paar Steine, die nach Wegmarkierung aussehen, lotsen mich in den Hang, während der Trampelpfad weiter ins Tal führt. Ganz schön steil und einen Pfad gibt es nicht wirklich, dafür einige Büsche. Oder sehe ich ihn einfach nicht?
Ich schaue mich um und entscheide mich für einen Aufstieg auf der nächsten Bodenrille. Es geht den Hang quasi gerade hoch. Und so sehr ich mich auch Ausschau halte, einen wirklichen Pfad sehe ich nicht. Also weiter hoch. Zumindest scheine ich nicht die erste zu sein die hier hoch kraxelt. Die Hoffnung von etwas weiter oben einen möglichen Pfad im Tal zu erkennen erfüllt sich nicht. Ich gehe fast 120 Höhenmeter fast senkrecht am steilen Hang hoch. Zeit für eine Pause. Einen Weg werde ich wohl nicht mehr finden und so stellt sich die Frage weiter oder zurück. Während ich oben im Steilhang mein Polarbröd als zweites Frühstück verspeise, wandern jemand weiter ins Tal hinein. Etwas an seinem Rucksack spiegelt und so ist er auch aus der Ferne gut zu verfolgen.
Gut gestärkt steige ich weiter auf. Ich suche mir nun selber einen Weg und achte nicht mehr auf mögliche Steinmännchen. Ich bewege mich nun schräger auf den Fluss aus dem Guoblavággi zu. Dabei bin ich immer auf der Suche nach Heideflächen, die leicht zu begehen sind. Dabei quere ich Rinnen und versuche Steinen und Weidebüschen aus dem Weg zu gehen. Als ich auf viele leckere Blaubeeren treffe, nutze ich die Gelegenheit und Pflücke welche zum Dessert und Müsli. Gegen halb eins habe ich die 900-Höhenlinie geschafft. Auf 1060 ist ein kleiner See eingezeichnet und dort will ich Mittag machen. Die Sonne knall vom Himmel und der Schweiß rinnt nur so herab. Vielleicht sollte ich mal die Hosenlüftung Schwedish-Army-Style ausprobieren. Und wirklich, das leicht Lüftchen ist angenehm.
Auf der 1000er Höhenlinie bin ich dem Fluss schon recht nah und frage mich, ob es nicht einfacher gewesen wäre am kühlen Nass aufzusteigen. Zumindest hätte ich immer kühles Trinkwasser gehabt. Das Wasser strömt über Felsen in Stufen den Hang hinunter und die kleinen Wasserfälle sind ein willkommener Anblick. Um halb zwei erreiche ich eine große Grasterrasse. Der Einstieg ins Guoblavággi ist erreicht.
Vom See sehe ich jedoch nichts, aber das ist mir egal. Diese kleinen Wasserfälle sind sowieso schöner. Ich setze mich auf einen Felsen und ziehe erst einmal die Schuhe aus. Anschließend gibt es ein erfrischendes Fußbad im eiskalten Wasser. Als ich mich Umblicke entdecke ich tatsächlich ein Steinmännchen und dann ein weiteres. Sie führen über die Grasfläche etwas weiter östlich den Hang herunter. Vermutlich habe ich den Weg bei meinem Aufstieg sogar gekreuzt. Zumindest für den weiteren Verlauf habe ich nun wieder eine Spur.
Während ich Wasser koche, genieße die Aussicht Richtung Gorsajiekŋa. Das blanke Eis mit den Gletscherspalten ist zu sehen und es rauscht ganz schön Wasser hinab ins Tal. Bei der Hitze leiden die Gletscher auch hier oben im Norden sehr. Auch Schneefelder sind kaum zu sehen und damit können sich die Rentiere nicht mehr vor den Ungeziefern darauf flüchten. Während ich esse, taucht ein Wanderer auf. Er steigt betont lässig über die Felsen ab, leert und füllt seine Wasserflasche fünf Meter von mir entfernt und erst als er schon fast an mir vorbei ist, winkt er kurz. Das sah nun aber schon nach Show aus.
Nach einer Stunde mache ich noch ein paar Fotos und wandere weiter. Bis zum Harpasset sind es noch rund 3½ Kilometer und 200 Höhenmeter. Auf den ersten Blick ist es nicht weit, aber das Tal ist weiter oben steiniger und was mich dort erwartet, muss ich noch sehen. Zunächst geht es aber über Grasflächen weiter aufwärts. Langsam wird es steiniger. Der Fluss bildet kleine Seen. Vor mir kommt die nächste Geländestufe in Sicht. Der Wasser fließt über eine Stufe herab. Der Weg führt am östlichen Ufer entlang. Auf den ersten Blickt sieht die Geländestufe schwierig zu passieren aus, aber es geht unterhalb einer Felswand recht einfach über Grassoden hinauf.
Der erste See auf 1138 ist erreicht. Ich umrunde ihn immer den Steinmännchen folgend. Am nördlichen Ende geht es die nächste Geländestufe hinauf. Diesmal muss ich eine Felsenstufe hinauf, die für mich am Steinmännchen einfach zu hoch ist. Weiter links rinnt zwar Wasser herab, aber am Ende finde dort die einfachste Möglichkeit für jemanden mit kurzen Beinen. Damit habe ich den mittleren See auf 1175 erreicht. Gespeist wird er von einem Gletscher.
Wie sehr man sich mit den Maßen täuschen kann, merke ich etwas später. Der Gletscher sieht recht klein aus und als ich ihn betrachte bewegt sich etwas am Rand. Erst mit dem Zoom der Kamera kann ich ein Rentier erkennen. Bequem sieht es nicht aus, wie es so auf der steilen Eisfläche steht. Dann dreht es sich um und geht wieder auf die Felsen. Mit bloßem Auge sieht es einfach klein aus, dabei ist der Gletscher einfach viel größer. Der türkisfarbene See wird etwas höher umgangen, aber auf recht einfachen Grund.
Der nächste See auf 1186 direkt unterhalb des Harpasset schließt sich gleich an. Hier ist das Ostufer verblockt und der Untergrund teilweise recht weich. Ich versuche mich zu orientieren, denn am Harpasset ist eine bekannte Zeltmöglichkeit und die gilt es zu finden. Ich sehe einen Bach den Felsen herunterfließen. Und was ist das türkisfarbene dort an den Felsen? Inzwischen sehe ich zwei Frauen auf dem Weg von der Låktatjåkko Fjällsation Richtung Harpasset. Eine hat einen dicken Rucksack und die andere nicht. Wollen die etwas auch da übernachten? Dann bleibt die mit Rucksack stehen und wartet, bis die andere Frau wieder zurückkommt, diesmal auch mit Rucksack. Upsi, da hat wohl jemand das Gepäck vergessen. Zusammen steigen sie wieder Richtung Låktatjåkko ab.
Ich bin nun auch auf den Weg angekommen. Soweit man von Weg sprechen kann. Steinmännchen markieren eine Route durch die Felsen. Aus Låktatjåkko steigen die nächsten beiden Wanderer mit Tourengepäck auf und ich sehe zu, vor ihnen auf den Pass bzw. den Biwakplatz zu kommen. Dann bin ich auf der Höhe, wo sich der Biwakplatz befindet. Gleich auf Anhieb gefunden, aber er ist besetzt. Hinter einen Windschutz aus Steinen steht ein türkises Zelt. Hatte ich mich also nicht getäuscht. Wo ich aber schon mal da bin und gehe ich einfach mal neugierig auf Besuch vorbei. Ich treffe auf eine Deutsche aus Umeå. Die beiden anderen wenden sich enttäuschen ab und gehen weiter. Wir quatschen eine ganze Weile. Ich bin nicht die erste, die heute hier noch zelten wollte. Zwei Frauen haben ihr Zelt bereits am kleinen See P1209 aufgestellt. Wir beratschlagen, wohin ich ausweichen kann. Sie empfiehlt mir ins schöne Latnjavággi abzusteigen, denn Richtung Måndalen wird es erst einmal richtig steinig.
So richtig anfreunden kann ich mich nicht mit dem Gedanken, ins falsche Tal abzusteigen. Erst einmal geht es ein paar Meter hoch auf den Harpasset. Es gibt nördlich vom Pass weitere Grasflecken zwischen den Felsen und so versuche ich mein Glück dort. Die letzten Wochen war es warm und viele der Schneefelder sind bereits geschmolzen. Ich gehe zwischen den Felsen in einem Zickzack-Kurs, quere den kleinen Wasserlauf zweimal und finde dann eine trockene, ebene Fläche. Sie liegt 30 Höhenmeter höher und nur 200 Meter Luftlinie nördlich des Biwakplatzes. Nach der langen Wärmeperiode ist der bemooste Grund trocken und auch morgen soll das Wetter gut sein. Schnell ist das Zelt aufgebaut, Wasser geholt und die Luftmatratze aufgeblasen. Dann genieße ich noch etwas die Abendsonne bevor es ein drittes Mal heute Kartoffelpüree gibt. Diesmal mit geschmorten Zwiebeln. Als Dessert gibt es einen Teil der am Vormittag gepflückten Blaubeeren in Vanillesoße.
Der Aufstieg war anstrengend, insbesondere das erste Stück den Hang hinauf war sehr steil. Das eigentliche Guoblavággi trotz steinigen Grund überwiegend dagegen war einfach zu durchwandern. Bei schlechter Sicht möchte ich allerdings nicht so gerne hier oben sein. Nur 6 Kilometer zeigt das Garmin an.