Vom blauen Himmel ist am oberen Rapadalen am Morgen nichts mehr zu sehen. Statt dessen sind wieder Wolken aufgezogen. Dazu weht ein kühler Wind. Um halb neun stehe ich auf und hoffe, dass während des Frühstücks das Zelt im Wind trocknet. Der Låddebákte ist immer noch wolkenverhüllt als ich schließlich kurz vor 11 Uhr zum Snávvávágge aufbreche. Zu meiner Freude sehe ich wieder einen Adler kreisen.
Der Pfad folgt der Konturlinie über Heide und durch Weidegestrüpp. Nach einer halben Stunde erreiche ich einen kleinen Bach. Eine gute Gelegenheit die Wasserflasche aufzufüllen. Denn gleich geht es hoch. Der Aufstieg ins Hochtal Snávvávágge führt auf felsigen Stieg durch Gestrüpp und Geröll entlang einer Steilwand des Bielatjåhkkå. Ich bin daher recht glücklich, dass es nicht regnet. Bevor ich ins steile Gelände gehe nutze ich das letzte Plateau um noch einmal die Aussicht ins Rapadalen zu genießen.
Der Weg führt nun über ein Geröllfeld. Links eine Steilwand und rechts geht es tief runter. Unten im Tal liegt irgendwo der geheimnisumwitterte Spökstenen (Geisterstein). Es dauert etwas bis ich ihn ausmachen kann. Laut Grundsten, stammt der Name von einer Samischen Legende, nachdem ein Mädchen, welches von ihrem Geliebten betrogen wurde, hier sich das Leben nahm. Ihr Geist soll demjenigen erscheinen, der auf der falschen Seite des Felsens sein Lager aufschlägt.
Im Zickzack führt der Pfad nun durch Gestrüpp und über große Felsblöcke. Nachdem ich die Engstelle an der Steilwand passiert habe lege ich eine kleine Pause ein. Das Gestrüpp und die Felsen habe ich nun hinter mir gelassen. Ab hier erinnert mich der Weg an einen gut zu gehenden alpinen Bergwanderweg. Ein Blick auf die Karte verrät mir, noch rund hundert Höhenmeter muss ich bis zum Einstieg ins Snávvávágge überwinden.
Und dann bin ich oben und auch irgendwie nicht. Das Gelände steigt weiterhin leicht an und von dem See Snávvájávrre ist dadurch noch nichts zu sehen. Für die 190 Höhenmeter auf 1,2 km habe ich 70 Minuten gebraucht. Erst mal eine Pause, bevor ich nicht mehr ins Rapadalen schauen kann. Allerdings halte ich es nicht lange aus. Es weht heftig und ist damit alles andere als gemütlich. Auf dem Weg zum See treffe ich auch auf zwei Rentiere - ein Muttertier mit Kalb. Sie grasen ruhig weiter. Weitere Rentiere laufen in einiger Entfernung ins Tal herab und überholen mich. Die Tiere versüßen mir die letzten Höhenmeter. Und dann kann ich endlich den See Snávvájávrre sehen. Ein eisiger Wind weht mir entgegen.
Laut Wanderführer lässt sich der Snávvájávrre auf beiden Seiten umrunden. In der Karte ist der Weg auf der nördlichen Seite des Sees eingezeichnet, also bleibe ich auf dem Pfad. Weitere Rentiere erfreuen mich durch ihre Anwesenheit. Auf halber Strecke kommt mir eine fröhliche schwedische Wandergruppe entgegen. Sie kommen aus Aktse und sind durch das untere Rapadalen gekommen. Den Weg haben sie am Anfang kaum gefunden. Es ist also besser ab dem Alep Vássjájågåsj der Hochroute zum Skierffe zu folgen. Meine Planung wird damit bestätigt. Sie sind erstaunt dass ich ensam (also alleine) unterwegs bin und fragen mich gleich zweimal danach. Ich kann ihnen leider keine Auskunft zum Ruohtesvágge geben. Mit einem High Five und Lycka till werde ich verabschiedet. Glück, ja das werde ich bei den kommenden Flussquerungen brauchen können.
Am Ende des Sees treffe ich auf die beiden Wanderer vom Vortag. Sie stellen sich als Schwedin und Däne aus Stockholm heraus und kochen sich gerade eine warme Suppe. Wir tauschen uns aus und ich bekomme noch den Tipp direkt auf der anderen Seite des Passes zu Zelten. Dort gibt es Terrassen mit herrlichen Ausblick zum Rapaselet. Bis zum Pass geht es jedoch noch mal 70 Höhenmeter hoch.
Oben auf dem Pass treffe ich auf einen See an dessen Ufer ein Schneefeld mir den direkten Weg versperrt. Zumindest umgehe ich es lieber. Und dann kann ich bis zum Rapadalen hinabschauen. Es stürmt richtig heftig. Gegenüber liegen die Gipfel des Bielloriehppe-Massiv in den Wolken. Der Stuor Skoarkki stößt dagegen nur an die Wolkendecke. Ich erhoffe mir etwas Windschatten von diesem Berg, und orientiere mich in seine Richtung. Das ist jedoch ein Trugschluss. Der Wind stürmt auch duch das Jilávágge. Auf der Suche nach einem windgeschützten Platz gehe ich über die Wiesen langsam bergab. Ich stoße wieder auf den Pfad und beschließe mein Glück auf der anderen Seite des Jilájåhkå zu versuchen.
Die Watstelle ist diesmal leicht zu finden. Ein ausgetretener Pfad führt in die steile Schlucht des Jilájåhkå hinab. Unten erwartet mich ein rauschender Gebirgsbach. Die Querung des Jilájåhkå hier oben gilt bei normalen Wasser als mittelschwer. Ist das hier nun noch mittelschwer? Mir kommt es etwas viel Wasser vor. Zumindest hatte ich in der Vorbereitung Fotos mit deutlich weniger Wasser gesehen. Inzwischen nieselt es. Und je länger ich die Stelle anschaue, umso mehr vergeht mir die Lust ins kalte Wasser zu steigen...
War da nicht noch ein Pfad am Ufer entlang? Ich drehe um, quäle mich leicht frustriert wieder den Hang hinauf und folge den Pfad weiter ins Tal. Weiter oben haben die Stockholmer ihr Zelt in den Wind gepflanzt. Noch immer stürmt es und als ich wenig später den Birkenwald erreiche finde ich endlich einen windgeschützten Platz. Das Zelt steht schnell und als ich Reis mit Huhn koche prasselt der Regen aufs Zelt.
Nach dem Essen schaue ich mir die Lage auf der Karte an und lesen in meinen Unterlagen. Fredrik beschreibt die Watstelle des Jilájåhkå an der Skårkistugan als einfach. Nach einem Blick auf die Karte ist die Route besiegelt. Morgen steige ich weiter ab und quere erst unten an der Hütte. Notfalls muss ich wieder Aufsteigen und es doch an der oberern Stelle versuchen.
Ich liege schon im Bett als ich in der Ferne Stimmen höre. Oder träume ich schon?