Die Stimmen am späten Abend waren keinen Traum, auf der anderen Seite der Schlucht des Jilájåhkå stehen am Morgen zwei Zelte. Die Wolken hängen sehr tief. Nebelschaden ziehen durch den Birkenwald. Ich höre Rufe und als ich das Tal aufwärts zur Watstelle schaue sehe ich zwei Personen am Fluss. Einer ist bereits auf meiner Seite, der andere startet gerade sein Querung. Ich schaue aus der Ferne zu. Meine Entscheidung vom Abend es an der Skårkistugan zu versuchen ändere ich jedoch nicht. So sicher sah das Ganze dann doch nicht aus.
Es ist 10 Uhr als ich den schmalen Pfad durch den Birkenwald ins Tal folge. Auf einer Lichtung verliere ich den Weg. Weit kann es nicht mehr bis zur Skårki-Hütte sein. Ich gehe einfach querfeldein in der gleichen Richtung weiter. Als ich auf einen unscheinbaren Querpfad treffe, nehme ich diesen gerne an. Ich komme an einen rauschenden Bach und als ich flussabwärts schaue, sehe ich die rote Skårkistugan durch die Bäume scheinen. Zwei Arme des Jilájåhkå gilt es zu Queren. Über den ersten liegen Baumstämme, aber weiter oberhalb sehe ich recht frische Spuren im Gras. Hier kann ich ohne Akrobatik durch das Wasser gehe. Ich versuche es diesmal mit Gamaschen und Wanderschuhen. Etwas feucht wird es im Schaft, die Strömung ist doch zu stark. Der zweite Arm ist einfacher zu queren. Hier rauscht das Wasser durch Weidenbüsche. Der Wasserstand ist zwar eindeutig höher als normal, aber über Steine komme ich ans andere Ufer. Der Jilájåhkå ist damit gequert.
Die Skårkistugan wurde vom schwedischen Forscher Axel Hamberg (1863-1933) als letzte von fünf Hütten im Jahr 1914 erbaut. Er erforschte den Sarek zwischen 1895 und 1931. Die Hütte ist gut erhalten, aber verschlossen. Ich schaue mich etwas um.
Nun folge ich im Talgrund dem Ráhpaädno flussabwärts. Vom Fluss sehe ich erst einmal nicht viel. Ab und zu kann ich ihn zwischen den Bäumen erspähen. Nach einer Viertelstunde treffe ich auf vier Schweden, die gerade ihre Mückennetze überstülpen. Von ihnen erfahre ich das es vorm Alep Vássjájågåsj recht sumpfig wird für mich. Die Flüsse bis dahin aber am Vortag gut zu queren waren. Sie interessieren sich für den Abstieg aus dem Snávvávágge und zeigen mir noch auf der Karte wo sie den Lulep Vássjájågåsj gequert haben. Das Wasser war jedoch sehr hoch bei ihnen. Ich werde noch vor den Mücken gewarnt, dann gehe ich weiter. Es ist schon gut, dass es bedeckt ist. So kann ich in Windbreaker-Jacke und Regenhose gehen und bin so bestens vor den Quälgeistern geschützt.
Hin und wieder gibt es zwischen den Bäumen einen Zeltplatz. Immer ist auch eine Feuerstelle vorhanden, obwohl das Feuermachen eigentlich nur im Notfall erlaubt ist. Endlich komme ich auch Nahe an den doch sehr breiten Ráhpaädno. Der Fluss hat kein Hochwasser, aber ist gut gefüllt. Am Rapaselet versuche ich noch einmal zum Fotografieren dichter ans Wasser zu kommen. Es ist jedoch sehr sumpfig und so breche ich ab. Die Füße sind schon nass genug. Als ich zum Rucksack zurückkehre kommen die beiden Stockholmer vom Vortag vorbei.
Nun kommen laut Karte vier kleine Seen, von denen der größte den Namen Skoarkkijávrátja trägt. Der Weg verzweigt sich, so dass man nördlich und südlich gehen kann. Bei höheren Wasserständen ist der nördliche empfohlen. Ich sehe aber keine Verzweigung und lande zum Glück automatisch nördlich der Seen. Der Weg ist zwischendurch recht unübersichtlich und ich kämpfe mich schließlich durch das nasse Weidengestrüpp am Seeufer. Es scheint aber doch der richtige Weg zu sein. In der Ferne höre ich das Rauschen des Svirjakanals. Er wird vom Gletscher des Svirjjatjåhkkå gespeist und kann recht tief sein. Mich erwartet ein Fluss der durch Weidesträucher rauscht. Schnell habe ich eine Stelle gefunden an denen sich der Svirjakana aufteilt und über Steine fließt. In Bergschuhen und Gamaschen komme ich ohne Probleme ans andere Ufer. Es ist schon zwei Uhr und damit Zeit für eine kurze Rast.
Bis zum Alep Vássjájågåsj sind es nun noch 2,5 Kilometer. Die kleinen Bäche, die vom Skårki-Massiv herab fließen, stellen kein Problem da. Ich erreiche schnell das Feuchtgebiet. Der Pfad läuft direkt auf eine große Fläche zu. Das Gras ist von mehreren Personen vor nicht langer Zeit umgetreten worden. Ich folge den Spuren. Eigentlich ist es eine Wasserfläche aus der Grashalme herausragen. Es ist richtig nass und ich sehe zu, dass ich schnell wieder richtig festen Boden unter meine Füße bekomme. Ich steuere auch ein Birkenwäldchen zu. Nur den Pfad habe ich erst einmal verloren. Macht nichts, ich gehe einfach in der Richtung weiter und es dauert nicht lange und ich bin wieder auf einem Trampelpfad.
Ein Rauschen kündigt den ersten Arm des Alep Vássjájågåsj an. Ich kann mein Glück nicht fassen, als ich feststelle, dass auch dieser mit Gamaschen zu queren ist. Wenig später erreiche ich den zweiten Arm. Hier müssen doch noch die Watschuhe ran. Die beste Stelle ist markiert. Ich schaue trotzdem ob ich bei diesem Wasserstand etwas Besseres finde. Am Ende quere ich aber auch an der bewehrten Stelle. Das Wasser ist klar und kalt. Die Steine sind mittelgroß und das Wasser nicht besonders tief. Es ist 16 Uhr und ich habe mein Tagesziel erreicht. Nur zum Zelten ist es hier unten nicht so schön. Soll ich heute noch den Aufstieg bis zum Kalfjäll angehen? Ein schöner Zeltplatz auf weicher Heide und eine schöne Aussicht wären die Belohnung.
Nach einem Blick auf die Karte entscheide ich mich fürs Weitergehen. Ich möchte an der Renvaktarstuga entlang und dort hinter auf die Bergnase aufsteigen. Auf direkten Weg liegen einige Feuchtwiesen und so entschließe ich mich diese zu umgehen. In der Hoffnung weiter oben einen Pfad zur Stugan zu finden gehe ich los. Am östlichen Ufer des Alep Vássjájågåsj führt ein ausgetretener Pfad entlang. Ich folge ihn und komme so gut voran.
Ich rieche den penetranten Geruch von Rauch, aber es dauert eine ganze Weile bis ich den Lagerplatz einer Wandergruppe erreiche, die versucht ein Feuer am Ufer zu entfachen. Ich gehe vorbei und werde langsam ungeduldig, kein Pfad Richtung Renvaktarstuga in Sicht. Inzwischen gehe ich durch einen lichten Birkenwald mit Storchenschnabel-Bewuchs. Es sieht so verlockend aus, also biege ich ab. Das geht für rund dreihundert Meter sehr gut, dann wird der Untergrund recht feucht und eine paar große Steine verbergen sich unter den Pflanzen. Beim Umgehen steige ich weiter auf und lande schließlich im Steilhang. Nach GPS sind es bis zur Hütte 600 m und bis zum Kalfjäll gerade hoch 200 m, allerdings auch 80 Höhenmeter. Ich hätte am Fluss weiter hoch laufen sollen, doch umdrehen will ich nun auch nicht mehr. Da hochgehen im steilen Geländer leichter ist, als traversieren, winde ich mich den Hang hoch. Noch etwas kraxeln und dann bin ich oben. Erst mal Pause und die wunderschöne Aussicht genießen.
Nun heißt es nur noch Trinkwasser finden und eine ebene Fläche fürs Zelt. Zeltplätze gibt es genug. Immer etwas abschüssig, aber das sollte gehen. Nur Wasser finden ist schwieriger. Ich bin froh als ich im Weidengestrüpp an der Steilkante plätschern höre und auch noch gefahrlos ans kühle Nass komme. Das Wasser scheint im Untergrund zu fließen und erst wenige Meter vor der Kante an die Oberfläche zu kommen. Um kurz nach sechs steht das Zelt. Nach so einem Tag brauche ich etwas Ordentliches zu Essen. Pasta mit Tomatensoße und Walnüssen ist mir gerade recht. Beim Kochen lege ich die nassen Socken und Einlegesohlen auf den Kochtopf, so dass sie etwas trockener werden. Um 20 Uhr beginnt es wieder an zu regnen.