Morgens weckt mich die Sonne schon um halb sechs. Beim Blick aus dem Zelt erstrahlt vor mir das Sarekjåhkkå-Massiv in seiner vollen Pracht. Mir kommt es so vor, als ob das Wasser nicht mehr ganz so laut den Berg hinab rauscht. Die Seenlandschaft hat aber weiterhin bestand. Mal sehen was der Tag so bringt.
Gegen neun habe ich alles eingepackt und setze mich in Gang. Ich verlasse meine Insel neben dem Blockfeld. Das Gelände fällt leicht ab. Es ist recht steinig, aber ich treffe schnell wieder auf einen Pfad. Bei meiner ersten kleinen Pause finde ich zwei Rentier-Geweihe. Sie sehen sich recht ähnlich, sind ein rechtes und ein linkes und vor allem sind sie unbeschadet. Die Verfärbung lässt darauf schließen, dass sie schon länger hier liegen. Stammen sie etwa von ein und demselben Tier? Der Rucksack ist eigentlich schwer genug, aber ich kann nicht widerstehen und nehme sie fasziniert mit.
Am Oarjep Tjievrajávrre
Inzwischen kann ich gut die Seen vor mir überblicken. Die Wasserstände scheinen hoch zu sein, aber am Ausfluss des Oarjep Tjievrajávrre kräuselt sich das Wasser. Eigentlich ein gutes Zeichen. Der Pfad bring mich direkt zur Flussbiegung unterhalb des Sees. Steine schauen aus dem Wasser. Bei normalen Wasserstand soll man hier trockenen Fußes in Stiefeln rüber kommen. Das sieht irgendwie nicht so aus. Am Ufer sind recht große Felsblöcke die zum Teil überspült sind. Da zwischen tiefe Löcher, in die ich nicht hineinfallen möchte. In der Flussmitte scheint es flacher zu sein, nur da komme ich bei diesem Wasserstand nicht hin. Was nun?
Ich schaue durch mein Teleobjektiv zum Einfluss des Sees. Dort sieht das Wasser verlockend flach aus, aber es sind rund zwei Kilometer mehr. Ein Versuch wäre es wert. Wenn es nicht klappt muss ich wohl oder übel warten bis der Wasserstand sinkt, denn durch das Feuchtgebiet möchte ich nach den vielen Regen nicht zurück gehen. Ich wandere also um den Oarjep Tjievrajávrre. Natürlich gibt es am westlichen Ende auch wieder ein größeres Schneefeld, welches ich umlaufen muss.
Am Fluss zwischen dem oberen Nuortap Tjievrajávrre und dem unteren Oarjep Tjievrajávrre angekommen wird mir schnell klar, die Mühe des Umweges hat sich gelohnt. Es gibt ein großes Gefälle und auch strömt das Wasser schnell, aber kurz vor dem Oarjep wird das Wasser flach und breit. Zudem hat es keine großen Steine am Ufer. Also Neosocken und Crocs an und eine gute Route durch das Wasser erkunden. Rund 50 Meter sind zu durchschreiten und so lasse ich die Regenhose lieber an. An zwei Stellen hat es in der stärkeren Strömung große Steine und am anderen Ufer wird es noch einmal tief, aber ich komme gut ans andere Ufer. Nun das ganze nochmal mit dem ganzen Gepäck. Da der Rucksack mir immer noch viel zu schwer ist, um ihn länger ohne Unterstützung des Beckengurts zu tragen, entschließe ich mich zweimal mit jeweils der Hälfte der Sachen zu gehen. Ich bin fast fertig, als ein Hubschrauber von Fiskfly recht tief über mich hinweg fliegt.
Nördliche Seite des Guhkesvágge
Mit dem Uferwechsel bin ich auf der nördlichen Seite des Guhkesvágge angekommen und wieder im Stora Sjöfallets Nationalpark. Auf der Karte ist am Ufer des Guhkesvákkjåhkå ein Pfad eingezeichnet, welcher an der unteren Watstelle beginnt. Allerdings liegen dort viele Steine und neben dem See ist es erst einmal sumpfig. Ich orientiere mich also weiter nach oben. Es lässt sich gut gehen. Auf Felsrippen komme ich fast ganz automatisch nach oben. Vom blauen Himmel ist nichts mehr zu sehen, aber zumindest bleibt es trocken.
Das Gelände wird langsam steiler und irgendwann muss ich wieder absteigen, will ich nicht in der Steilwand landen. Ich bin nicht die erste, die hier absteigt. Bald treffe ich auf einen recht guten Pfad. Es ist halb sechs als ich um die Ecke komme und vor dem idealen Zeltplatz stehen. Windgeschützt, neben zwei großen Felsen, liegt eine ebene Fläche deren Bewuchs trockenen Untergrund verspricht. Trinkwasser gibt es auch aus einem kleinen Rinnsal. In einiger Entfernung sehe ich einen recht breiten Bach mir den Weg versperren. Über den komme ich nicht so einfach rüber. Und so fällt die Entscheidung leicht. Hier bleibe ich.
Inzwischen habe ich Routine. Zelt aufbauen und dann genügend Wasser fürs Abendessen und Frühstück holen. Anschließend Luftmatratze aufblasen, Schlafsack auspacken und dann geht es auch schon ans Essen kochen. Für heute Abend entschließe ich mich für Sauerkraut mit Kartoffelmus und Kassler.
Wieder ein Regentag
Gegen morgen fängt es wieder an zu Regnen. Der Bach hat in der Nacht stark abgenommen und ist nun kaum zu erkennen. Das ist schon mal positiv. Mit nassen Zelt will ich aber nicht unbedingt los. Und da ich Zeit habe, warte ich erst mal ab und lese in meinem Buch weiter. Gegen Mittag lässt der Regen nach. Als ich aus dem Zelt schaue fliegt tatsächlich ein Adler vorbei.
Weiter oder bleiben ist die nächste Frage. Es geht immer an der Steilwand entlang, an der sich die Regenwolken abgeregnet haben. Auch wenn der Bach weniger Wasser hat, so steht in den Flächen das Wasser, was die Zeltplatzsuche erschweren dürfte. Ich entschließe mich das Guhkesvágge erst am nächsten Tag an einem Stück zu durchwandern. Passend zum ungemütlichen Wetter esse ich zum Abend eine Fischsuppe mit Kabeljau, Lauch und Kartoffeln. Trotz des faulen Tags gehe ich früh ins Bett und hoffe auf eine trockene Nacht.