Die Wolken hängen tief über dem Rapadalen und Nebelschwaden wandern durchs Tal. Auf der Bergnase oberhalb der Renvaktarstugan entdecke ich das Zelt der beiden Stockholmer. Sie sind also nun dort wo ich eigentlich gestern hin wollte. Es regnet nicht und so langsam klart es auf. Vielleicht kann ich noch die gegenüber liegenden Berge in voller Pracht sehen. Als sich blauer Himmel zwischen den Wolken zeigt beschließe ich erst spät loszugehen. Bis dahin beobachte ich die Wolken, trinke Tee und trockne meine Socken.
Um kurz vor drei gehe ich dann doch noch los. Mein Tagesziel: den Lulep Vássjájågåsj queren. Die vier jungen Schweden vom Vortag gaben den Tipp es möglichst hoch zu versuchen. Bei ihnen war das Wasser deutlich über dem Knie, aber die Strömung war okay. Sollte die Querung nicht gelingen, habe ich die Möglichkeit in einen großen Bogen durch das Vássjágge und über die Jågåsjgaskaláhko-Ebene zum Skierffe zu gelangen. Das will ich nicht wirklich.
Nach einem Kilometer erreiche ich das erste Hindernis. Ich muss den kleinen Fluss, welcher im Tal an der Renvaktarstugan entlang fließt, queren. Dieser ist jedoch mit Schnee bedeckt. Ich höre darunter das Wasser plätschern. Zum Teil ist die Decke eingebrochen. Etwas weiter unterhalb sieht es so aus als ob ein kurzes Stück schneefrei ist. Also absteigen. Zu meine Freude ist es dort wirklich schneefrei und der Bach lässt sich bequem queren.
Das Gelände ist nun flach und lässt sich gut begehen. Der Ausblick über das Rapadalen ist wunderbar. Ich steuere auf den Fluss zu, welcher vom Rådnik kommend in den Lulep Vássjájågåsj mündet. Ein einzelnes grosses Steinmännchen passiere ich. Am Lulep angekommen folgt die Ernüchterung. Hier geht es nicht rüber. Der Lulep Vássjájågåsj hat sich tief eingeschnitten. Der Fluss vom Rådnik fließt in einer Klamm und stürzt sich als Wasserfall in die Tiefe. Bin ich zu tief oder zu hoch? Ich bin höher als die vier Schweden mir auf der Karte gezeigt haben. Zu allem Überfluss habe ich für diese Watstelle versäumt genaue Informationen mitzunehmen. Einfach sei es, aber eben nur an der richtigen Stelle.
Ich entschließe mich abzusteigen und es wie beim Alep Vássjájågåsj im Tal zu versuchen. Vielleicht finde ich ja auch vorher eine gute Stelle. Solange es durch das Kalfjäll geht, ist der Abstieg einfach. Dann kommt der Birkenwald. Einen richtigen Pfad gibt es nicht. Direkt am Ufer komme ich nicht voran und gehe deshalb mit etwas Abstand durch die Birken. Den Fluss kann ich so nicht einsehen. Immer wenn es nicht so stark rauscht, schaue ich, ob eine Querung möglich ist. Da ich aber alleine nichts riskieren möchte, ende ich im Talgrund des Rapadalen. Zumindest habe ich zwei schöne Rotkappen und einen Birkenpilz gefunden.
Vom Weg im Talgrund finde ich nur ein kurzes Stück. Es endet auf alle Fälle nicht an einer Watstelle. Ich gehe wieder etwas flussaufwärts, wo es für mich recht gut aussieht. Der Lulep Vássjájågåsj verzweigt sich hier in mehrere kleine Arme. Als ich schon denke drüben zu sein, tut sich ein fünfter Arm auf, aber alle lassen sich gut in Watschuhen queren. Da ich spät losgegangen bin, ist es schon 19:30 Uhr. Zeit einen Zeltplatz zu finden. Mir springt eine Anhöhe direkt an meiner Watstelle ins Auge und siehe da, oben ist eine kleine Lichtung groß genug für ein Zelt. Die Pilze schmoren in der Pfanne und dazu gibt es heute Kartoffelmus. Der nächste Fluss ist geschafft. Morgen geht es wieder 300 m hoch bis zum Kalfjäll. Hundemüde schlafe ich ein.
Nachtrag: Andrea Möhr-Michel empfiehlt den Lulep Vássjájågåsj auf 1200 m Höhe zu queren. Ich habe ihn auf 950 m Höhe erreicht. In den Büchern von Claes Grundsten und Fredrik Neregård ist die Route nicht ganz so hoch, aber auch deutlich oberhalb meiner Stelle eingezeichnet. Ich hätte also weiter nach oben gehen sollen. Was soll's, Hauptsache sicher auf die andere Seite gekommen.