Der Nachtzug fährt am Torneträsk entlang und es fängt wieder an zu regnen. Nachdem ich mich gerade entschlossen habe die Regenhose nicht anzuziehen, entscheide ich mich bei einem Blick nach draußen wieder um. In Abisko Östra wartet der Zug auf der eingleisigen Strecke bis der Gegenzug kommt. Es ändert nichts am Wetter und so steigen wir wenig später um 14:30 Uhr in Absiko Turiststation im strömenden Regen aus. Ich verabschiede mich von der netten Dame aus Stockholm und begebe mich Richtung Kungsleden-Start. Da die meisten Richtung STF-Fjällstation gehen, bin ich schnell alleine.
Ich habe mich für die schwedische Route zum Mårmapasset entschieden. Sie führt durch das weglose Ballinvággi. Die deutsche Route dagegen durch Lapporten. Beide Routen führen zur Brücke über den Aliseatnu. Und da in den deutschen Reiseberichten viel über einen beschwerlichen Weg durch das Weidegstrüpp am Aliseatnu zu lesen war und in den schwedischen von einer weglosen aber problemlosen Hochtalquerung, war die Entscheidung leicht gefällt und die Routennamen schnell vergeben. Im Abisko Nationalpark ist das Zelten nur an ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Dies ist am Rastplatz Nissonjohka und an der Abiskojaure Hütte der Fall. Der ehemalige Zeltplatz Tältlägret liegt bereits außerhalb es Nationalparks und ist 8 Kilometer von der Abisko Turiststation entfernt. Eine gute Strecke für den Nachmittag.
Ich passiere das hölzerne Torhaus, welches den Start des Kungsleden markiert. Der durch Birkenwald am Abiskojåhka entlang führende Weg ist breit ausgetreten. Es kommt mir gerade recht, dass ich hier schon zweimal durchgegangen bin und mich bereits bei schönen Wetter umschauen konnte. So komme ich im Regen zügig voran. Nach einer halben Stunde habe ich die ersten 2 Kilometer zurückgelegt und erreiche Marmorbrottet. Hier wurde an einer Flussbiegung der gelbliche Dolomit-Marmor abgebaut und mit der Malmbahn abtransportiert. Der zu erklimmende Hügel bietet eine schöne Aussicht, aber nicht heute.
Noch ein Kilometer und dann kommt meine Abzweigung. Ein Schild weist in Richtung Tältlägret. Während auf meiner Seite 3 Kilometer steht, verkündet ein weiteres Schild auf der Rückseite 2 Kilometer. Der schmale Pfad quert den breiten Winterweg und eine sumpfige offenen Fläche. Anschließend führt er mit einigen Abstand am Fluss Ballinjohka entlang stetig bergan. Nach einer halben Stunde erreiche ich die Nationalparkgrenze. Inzwischen ist es trocken und ich mache eine kleine Rast. Direkt hinter der Grenze gibt es eine Zeltmöglichkeit, allerdings etwas sandig. Ich stärke mich mit einem Knäckebrot mit Kalles Kaviar und pflücke ein paar Blaubeeren.
Der Birkenwald wird zunehmend lichter und bevor die Bäume ganz verschwinden finde ich noch zwei schöne wurmfreie Birkenpilze. Bretter ermöglichen das Queren von Sumpfflächen ohne nasse Füße zu bekommen. Die Wolken reißen sogar auf und ich kann etwas blauen Himmel sehen.
Gegen 18 Uhr erreiche ich Tältlägret. Heideflächen bieten hier gute Zeltmöglichkeiten. In einem Birkenwäldchen befindet sich eine kleine abgeschlossene Hütte des STF. Ich sehe niemanden und muss mich nun entschließen, Weitergegen oder Übernachten? Das Wetter sieht gut aus und ich fühle mich gut. Vielleicht schaffe ich es heute noch bis ins Ballinvággi.
Der Weg führt hinter dem intakten Plumpsklo entlang. Bäume gibt es nun nicht mehr, dafür Weidegestrüpp. Ich folge einigen Steinmännchen, die mich zwar bequem bergan führen, aber auch weiter vom Ballinjohka weg als mir lieb ist. Da die Kurve ausbleibt, folge ich schließlich der Konturlinie in Richtung Fluss und treffe auf einen ausgetretenen Pfad. Dies dürfte der in der Karte eingezeichnete Weg sein. Der Ballinjohka fließt hier oben in einem Canyon. Altschnee hat sich in der Schlucht den Sommer über gehalten. Auch wenn es anfangs noch Zeltmöglichkeiten gibt, an Wasser komme ich nicht. Also wandere ich weiter bergan. Weiter oben ist es möglich ans Wasser zu kommen, aber dafür ist das Tal V-förmig und das Gelände so schräg, dass an Zelten nicht zu denken ist. Inzwischen mag ich nicht mehr so richtig, aber es hilft nichts. Da es langsam dämmert, siehe ich zu, dass ich weiter vorwärts komme.
Um 20 Uhr erreiche ich das Ballinvággi. Der Ballinjohka fließt hier langsam und bildet einige kleine Inseln. Die Wolken hängen tief und so lassen sich die umgebenen Berge nur erahnen. Auf der östlichen Talseite befinden sich die Reste der Pallenvaggekåtan, in deren Nachbarschaft eine große ebene Fläche zum Zelten einlädt. Ich nehme die Einladung gerne an und baue das Zelt auf einem weichen bewachsenen Flecken am Steilufer auf. An einem kleinen Bach fülle ich meine Platypusbeutel, so dass ich genug Wasser für Abends und morgens habe. Dann Luftmatraze aufpusten, Schlafsack auspacken und Kocher aufbauen. Ich schmore die Birkenpilze als Vorspeise. Und gegen den Hunger gibt es Pasta Bolognese. Um kurz nach 21 Uhr ist Sonnenuntergang und es wird merklich kalt. Zeit für meinen Schlafsack und die erste Nacht im Zelt.