Die Nacht war zwar kalt, aber mir war mit den Füßen im Packsack und der Regenjacke auf dem Schlafsack warm. Morgens weckt mich die Sonne. Draußen liegt Schnee. Nicht viel aber das Zelt ist auf der Seite, die zum Pass steht mit einer Schneeschicht bedeckt. Auch der Boden ist wie mit Puderzucker überzogen. Das kühle Nass schmilzt in der Sonne schnell weg.
Und während mich die Sonne wärmt hängen die Wolken tief im Šiellavággi. Zwei Wanderer, die vermutlich am See übernachtet haben, kommen vorbei und gehen Richtung Pass. Als die Sonne hinter einer Wolke verschwindet packe ich ein und beginne um halb 12 mit dem Abstieg ins Alisvággi. Am Alip Hoŋggánjira entlang erreiche ich wenig später den See 1062. Es ist noch recht steinig, aber ab hier werden die Steine weniger und es gibt immer mehr Zeltmöglichkeiten.
Ich muss nun den richtigen Weg hinab ins Alisvággi finden. Der Alip Hoŋggánjira fließt nach einem scharfen Knick nach Osten und stürzt wenig später über ein Felsband als Wasserfall in die Tiefe. An dieser Stelle muss ich den Fluss queren und in Richtung Süden meinen Weg über eine Art Rampe hinab finden. Soweit die Beschreibung.
Ich quere den Alip Hoŋggánjira bereits etwas unterhalb des Sees, da sich dort die vielen kleinen Arme bequem überschreiten lassen. An einer Biegung entschwindet der Bach aus meinem Blickfeld. Mit der Rampe im Kopf lasse ich mich etwas von der Terrasse verleiten und wandere nach Westen bis ich auf ein Schneefeld stoße. Irgendwie bin ich etwas dicht am Šiellačohkka und offensichtlich zu früh vom Fluss weg gegangen. Ich realisiere, dass ich noch zu hoch bin und wandere nach Süden in Richtung Abgrund.
Auf 1020 Meter Höhe sehe ich ein großes Steinmännchen auf der Wiese östlich von mir. Darauf hatte ich gar nicht zu hoffen gewagt. Ich finde in seiner Nähe einen Trampelpfad und folge ihn über Grasflächen, die langsam steiler werden. Das Gelände ist terrassenförmig und von oben sind die Felsbänder schlecht zu sehen. Auch wenn der Pfad immer wieder verschwindet, so treffe ich wenig später wieder auf Trittspuren. Ich steige von Terrasse zu Terrasse herab.
Ein kalter Weg weht durch das Alisvággi und die Sonne versteckt sich hinter den Wolken. Ich erreiche ein kleines Plateau. Den Trampelpfad habe ich verloren oder es gibt ihn hier unten gar nicht. Ich habe eine schöne Aussicht nach Westen über das Alisvággi. Die Gipfel des Kåtotjåkka sind leider in den Wolken. Dazu gibt es reife Moltebeeren im Überfluss. Gut gestärkt mache ich mich auf die letzten 40 Höhenmeter. Unten angekommen halte ich nach Steinmännchen Ausschau. Auf einem kleinen Hügel werde ich fündig, dort ist der Weg durch das Alisvággi.
Auch wenn ich erst drei Kilometer zurückgelegt habe, der Abstieg hat mich irgendwie angestrengt. Es geht auf halb zwei zu, Zeit für eine Pause. Die Sonne kommt heraus und ich setzte mich neben den Weg ins Gras und krame meine Müsliriegel hervor. So im Windschatten mit der Sonne auf dem Rücken lässt es sich gut aushalten. Ein Kölner mit seinen beiden schulpflichtigen Söhnen kommt vorbei. Wir unterhalten uns ein bisschen. Der Weg sei auf den nächsten Kilometern gut zu gehen, so erfahre ich. Die Sonne verschwindet wieder hinter den Wolken und schnell wird mir kalt. Zeit weiter zu gehen.
Durch eine Senke, dann an einem See vorbei und durch Weidengestrüpp nähere ich mich wieder dem Alip Hoŋggánjira. Ich kann ihn mit meinen Wanderschuhen von Stein zu Stein queren. Mir ist ohne Sonne kalt und ich mag nicht so richtig. Ein kleines Stückchen und ich erreiche den Lulip Hoŋggánjira. Mir fallen schöne Zeltplätze am Ufer auf, aber leider hat jemand den idealen Platz mit Toilettenpapier verziert. Ich quere den Fluss ohne Probleme. Eigentlich ist es noch viel zu früh für einen Zeltplatz, aber irgendetwas hält mich an diesem Ort. Ich mag nicht mehr. Ich finde flussaufwärts eine ebene Heidekrautfläche. Weiter oben im Hang sind weitere, aber es ist mir zu windig. Kaum habe ich das Zelt aufgebaut, fängt es an zu nieseln. Ich koche mir eine Nudelsuppe. Ich friere und verkrieche mich in meinen Schlafsack.
Am Lulip Hoŋggánjira
Am nächsten Morgen bin ich krank. Die Nase läuft ununterbrochen und essen mag ich auch nicht. Das mir gestern ständig kalt war und ich mich so schlapp fühlte waren also die Vorboten einer Erkältung. Ich liege den ganzen Tag in meinen Schlafsack gemurmelt im Zelt und warte das es besser wird.
Ich habe in der Nacht gut geschlafen und am nächsten Tag ist es windstill. Ohne den kalten Wind hängen die Wolken tief im Tal und von den umgebenen Bergen ist nichts zusehen. Auch die Mårmastugan dürfte in den Wolken liegen. Eigentlich müsste ich weiter gehen, wenn ich über den Pass will, aber nachdem ich eineinhalb Tage nicht richtig gegessen habe siegt die Vernunft. Ich murmel mich wieder in den warmen Schlafsack und drehe mich um. Der Appetit kommt langsam zurück und abends verdrücke ich Pasta mit Lachs in weißer Soße. Inzwischen weht ein leichter Wind aus Ost. Morgen gehe ich weiter. Um 20 Uhr fängt es an zu regnen.
Es regnet und regnet und regnet. In der Nacht hat der Wind gedreht und er kommt nun aus West. Vor allem ist er stärker geworden und der Regen peitscht den ganzen Tag gegen das Zelt. So hab ich mir das bei meiner Planung nicht vorgestellt. Ich sitze den dritten Tag am Ufer des Lulip Hoŋggánjira und am Anblick des horizontalen Regens glaube ich nicht an schnelle Besserung. Zur Abwechselung hagelt es. Am Nachmittag wird der Regen zu Schneeregen. Im Zelt ist es trocken, aber aus dem Wind wird langsam ein Sturm. Böen fegen durch das Tal und rütteln an meiner Unterkunft. Irgendwann muss das Mistwetter doch mal vorbei sein. Raus gehe ich nur, wenn es unbedingt sein muss. Zum Abend koche ich Mandelreis mit Hühnchen.
Die ganze Nacht stürmt es und ich bekomme kaum ein Auge zu. Das Zelt flattert laut im Wind und ich überlege was ich eigentlich mache, wenn das Zelt den Sturm nicht überlebt. Um 4 Uhr morgens kommt mir das Außenzelt bedrohlich nahe. Ich ziehe meine Regensachen an und gehe raus um nachzuschauen, was los ist. Irgendwann in der Nacht hat der Wind gedreht und trifft nun mit voller Wucht aus Nordwest und damit seitlich auf das Tunnelzelt. Ich entschließe mich es im Schneegestöber zu drehen, so dass die Belastung wieder von hinten kommt. Danach kann ich etwas schlafen.
Um 9 Uhr stürmt es immer noch. Nun kommt mir das Außenzelt von oben bedrohlich nahe. Also wieder raus. Diesmal sind drei Heringe lose. Neu abgespannt steht es wieder wie eine eins und trotzt dem arktischen Sturm. Das ist also mein Sommerurlaub. Am frühen Nachmittag beruhigt sich die Lage. Die Sonne bricht durch die Wolken und die schneebedeckten Berge tauchen auf. Es weht noch immer kräftig, aber das schlimmste scheint vorbei zu sein. Zwei Wanderer kommen vorbei und ich beobachte, wie sie durch das Weidengestrüpp den Hang vor mir hoch wandern. Der Lulip Hoŋggánjira hat nach dem Regen deutlich mehr Wasser und so verbringe ich noch eine Nacht an diesem Ort. Der Mårmapass dürfte unter einer geschlossenen Schneedecke liegen. Das war es wohl für mich mit der Passquerung dieses Jahr. Zum Trost gibt es heute Schokopudding zum Dessert.