Um 6:00 Uhr bläst ein kalter Wind, aber es ist trocken. Noch siegen die Wolken über die Sonne, aber ich bin optimistisch dass dies nicht so bleibt und drehe mich noch einmal um. Als ich wieder aus dem Zelt blicke scheint weiter talabwärts die Sonne. Nur bei mir ist Schatten. Auf Gipfelhöhe hat es leicht geschneit. Ich stehe auf und frühstücke mit Müsli und heißen Tee. Kurz vor 10 Uhr bin ich abmarschbereit und siehe da, die Sonne gewinnt langsam die Oberhand.
Der Weg lässt sich gut gehen. Das Visdalen steigt langsam an. Noch immer überwiegt das Grün von Heidekraut, Gras und Weidebüschen. Heute sind mehr Wanderer schwer bepackt unterwegs. Nach 2.5 Kilometern erreiche ich die Abzweigung ins steinige Urdadalen. Vor mir ist der markante Berg Kyrkja wolkenfrei. Weiter oben im Hang äsen ein paar Rentiere. Nach einer halben Stunde treffe ich auf eine ganze Herde. Als sie mich bemerken kreuzen sie den Weg und flüchten Richtung Fluss. Allerdings scheint die Furcht nicht sehr groß zu sein, denn sie überlegen es sich schnell und fressen weiter. Ich setzte mich auf einen Stein und beobachte die Tiere. Sie kommen langsam auf mich zu. Zwar werde ich misstrauisch beäugt aber das war es auch schon. Dann wird es einem Rentier zu unheimlich und die gesamte Herde beschleunigt, läuft an mir vorbei und verschwindet hinter einem Hügel.
Ich gehe weiter. Weit oben kann ich die Gletscherzunge des Bukkeholsbrean sehen. Die Abbruchkante schimmert blau. An der Kyrka ziehen langsam wieder Wolken auf. Noch laufe ich in der Sonne. Mit jedem Höhenmeter werden es mehr Steine. Noch überwiegt das Grün, aber mit Zeltplätzen wird es langsam schwieriger. Zudem durchziehen viele kleine Bäche die Wiesen.
Je dichter ich an die Kyrkja komme, desto weniger sehe ich vom Gipfel. Als ich den Seitenfluss Tverrbytna passiere fängt es an zu nieseln. Vor mir erhebt sich der Anstieg zum Kyrkjeglupen. Zuvor müssen noch der Fluss aus dem See Semelholstjønne und der Gletscherfluss vom Visbrean gequert werden. Sie fließen gemächlich auf großer Breite im Tal. Große Steinmännchen markieren den idealen Platz. Nur hab ich irgendwie nicht so lange Beine. Bei genaueren Hinsehen gibt es jedoch auch für mich eine Route ans andere Ufer. Einige der Trittsteine sind nur leicht überspült.
Gleich im Anschluss geht es bergan. Rund 100 Höhenmeter sind auf dem nächsten Kilometer zu bewältigen. Mitten im Anstieg fängt es an zu regnen. Ich wechsele in die Regenjacke und esse etwas. Hinter mir kommen zwei Wanderer, denen es an der Flussquerung genauso wie mir geht. Etwas auf und ab laufen und dann versucht es der erste. Wenig später sind beide drüben. Ich schleppe mich weiter den Hang hoch.
Der Anstieg ist geschafft und nun gilt es den Kyrkjeglupen zu queren. Am See Kyrkjetjønne treffe ich auf drei Angler. Sie sprechen mich an, aber da ich sie nicht verstehe und sie mich nicht, ist das Gespräch recht kurz. Bei guten Wetter ist am See bestimmt ein schöner Zeltplatz, so sieht es aber alles etwas trist aus. Das Wasser aus dem Kyrkjetjønne durchfließt vier kleine Seen bis es im Leirvatnet landet. Irgendwie steinig hier, dazu von vorne kalter Wind mit Nieselregen. Am See Panna geht es mal wieder über ein Blockfeld. Zu Belohnung für die Mühen wird das Wetter wieder besser. Am Troget muss weiter über Stein balanciert werden. Dann wird es etwas einfacher zu gehen. Schließlich blicke ich auf den Leirvatnet und lasse die Steine hinter mir.
Es ist schon 15:30 und noch bin ich nicht an der Hütte Leirvassbu. Der Weg um den See wird gefühlt immer länger, dabei komme ich ganz gut voran. Inzwischen scheint die Sonne wieder und ich wechsele nach der halben Strecke wieder von Regenjacke in Windbreaker und schiebe etwas Energie nach. Nach einer Stunde erreiche ich die Hütte. Es stehen einige Autos auf dem Parkplatz. Ansonsten scheint nicht soviel los zu sein. Neben dem Eingang steht ein Mülleimer und ich nutze einfach die Gelegenheit und werde meinen Müll der ersten Woche los. Auch wenn es nicht viel ist, jedes Gramm weniger zählt.
Ich folge nun einem Fahrweg nach Süden. An einem kleinen See schwenkt er nach Westen und der Wanderweg nach Gjendu/Olavsbu zweigt ab. Es geht nun wieder bergan, hinauf auf den Høgvaglen. Vor mir sind die Schneefelder des Høgvaglbreen zu sehen. Wo die Route genau langgeht ist von untern schwer zu erkennen. Schritt für Schritt knappere ich von den zu bewältigen 100 Höhenmetern etwas ab bis ich oben bin. Alles ist felsig und ein Blick zum Øvre Høgvagltjønnen verspricht nichts Gutes. Ich sehe Felsen über Felsen. Hätte ich doch unten am Gravdalsttjønne nach einem Zeltplatz schauen sollen? Zu spät, aber in der Ferne sieht es am Abfluss des Nedre Høgvagltjønnen schon besser aus.
Zu meiner Überraschung komme ich gut voran. Es geht über Felsplatten fast in gerader Linie durch die Geröllfelder. Es gibt Stellen, da erinnern mich die verlegten natürlichen Steinplatten an die Alpenübergänge wie den Türlepass. Nach einer Stunde ist das Seeende erreicht. Am Nedre Høgvagltjønnen ist es deutlich besser, aber es weht auch weiterhin ein kräftiger Wind. Um halb sieben habe ich einen Platz, der jedoch recht windanfällig ist. Und so überlege ich es mir anders und gehe weiter. Der Langvatnet ist nicht mehr fern.
Die Abzweigung nach Olavsbu erreiche ich nach einer halben Stunde. Es fließt recht viel Wasser und die ersten Steine sind überspült. Das muss nun nicht mehr sein. Vor allem bin ich inzwischen auch müde. Ich folge dem Fluss und finde wenig später eine ebene Fläche mit Blick über den Langvatnet. Zeit das Zelt aufzubauen. Es war ein langer Tag mit rund 19 Kilometern. Die Spaghetti Bolognese zum Abendessen habe ich mir redlich verdient.
Leirvassbu Fjellstue
Lage: am Leirvatnet
Lat/Lon: 61°32'54" N, 8°14'51" E
Kategorie: Bewirtete Hütte (Betjent)
Anzahl Betten: 185
Webseite: Leirvassbu Fjellstue