Der Morgen im Zelt ist ungemütlich. Statt Sonne gibt es Wolken, aber es ist trocken. Es dauert bis ich meinen warmen Schlafsack verlassen mag. So ohne Sonne braucht das Zelttrocknen länger und ich verlasse erst um 10:30 meinen Übernachtungsplatz. Ein kalter Wind weht und noch habe ich Hoffnung, dass sich die Wolken vertreiben lassen. Ich beginne den 150 Höhenmeter-Aufstieg zum Jierttájávri. Schnell wird mir warm und nach 45 Minuten erreiche ich das Ufer des Sees.
Die Landschaft ist sehr schön hier. Vor mir liegt der 1759 Meter hohe Liddubákti. Über ihm sehe ich blauen Himmel. Während seine Südseite wolkenfrei ist, hängen die Wolken tief an der Nordflanke. Und dort will ich leider hin. Nach dem See Jierttájávri beginnt der Abstieg ins Tal des Láddjujohka. Der Weg ist steinig und führt über ein Geröllfeld. Im Tal angekommen erwartet mich eine Furt duch den Láddjujohka. Bei dem kalten Wind ist mir nicht daran gelegen nasse Füsse zu bekommen und zum Glück finde ich genügend Steine um mit Wandernschuhe ans andere Ufer zukommen.
Nun stehe ich auf dem Dag Hammarskjöldsleden. Er wird mich nach Osten zur Kebnekaise Fjällstation und weiter nach Nikkaluokta führen. Ich werde von einer Wanderin angesprochen. Die ältere Dame stellt sich als Dänin heraus, die dahin will, wo ich herkomme. Immer ein guter Anlass ins kurze Gespräch zu kommen. Früher sei sie nie alleine gewandert, nun würde sie immer alle gehen. "Da stresst mich keiner" sagt sie und verabschiedet sich ans andere Ufer.
Im Láddjuvággi pfeift der Wind nun von vorne. Die Wolken hängen tief im Tal auf der südlichen Seite, während die nördliche Seite wolkenfrei ist. Über mir strahlt der blaue Himmel. Auf dem Dag Hammarskjöldsleden sind deutlich mehr Wanderer untwerwegs als auf dem Kungsleden zwischen Singi und Vakkovatare.
Kurz vor der Brücke über den Šiellajohka biege ich vom Weg ab und suche mir einen Platz für die Nacht. Es ist erst 16:00, zur Abwechselung ein frühes Ende. Bis zur Kebnekaise Fjällstation sind es noch vier Kilometer. Der Weg führt nach der Brücke durch Weidengestrüpp und dann über eine felsige Erhebung. Zu dicht an der Fjällstation will ich nicht zelten und daran vorbei laufen mag ich heute auch nicht mehr. Es dauert etwas bis ich einen Platz gefunden haben, denn auch an meiner Seite des Šiellajohka ist es recht feucht. Und da ich Regen erwarte, möchte ich sicher gehen, dass das Wasser nur von oben und nicht auch von unten kommt.
Auf einer Anhöhe an der Ostflanke des Siŋŋičohkka, mit Blick auf die Brücke und in Richtung Nikkaluokta, stelle ich mein Zuhause auf. Ich zelte quasi im Schatten des Kebnekaise, auch wenn der Tolpagorni den Blick auf den höchsten Berg Schwedens verhindert. Es gibt wieder Pasta, die Kälte macht hungrig. Diesmal mit Gemüse und Lamm, welches eigentlich für rote Linsen gedacht war. Nur davon habe ich keine mehr.
Ich liege schon im Schlafsack, als ich Rufe höre. Ich schaue lieber nach, was da draussen abgeht und sehe auf der anderen Uferseite zwei Personen, die vermutlich einen Platz für ihr Zelt suchen. Anscheinend wollen sie nun den Fluss queren. Warum einfach über die Brücke wenn es auch schwer geht. Am Ende begnügen sie sich mit einer Stelle zwischen den Weiden und ich bleibe alleine auf meiner Seite. Zelte scheinen andere Zelte immer magisch anzuziehen. Landschaft gibt es ja eigentlich genügend.
Ein Regentag im Zelt
Schon in der Nacht fängt es an zu Regnen und zwar richtig. Die Sicht ist 50 Meter und das andere Zelt sehe ich in der Nebelsuppe gar nicht mehr. Als der Regen kurz nachlässt hole ich vom Šiellajohka Trinkwasser für den Tag.
Zu meiner Überraschung bin ich schon wieder soweit in die Zivilisation vorgedrungen, dass ich Handyempfang habe. So bin ich in der Lage den aktuellen Wetterbericht anzusehen. Nikkaluokta im Regen melden die Norweger und Sonnenschein auf dem Kebnekaise. Hmmm, hier unten ist Regen. Die Wolken kommen von Osten und stossen auf dem Siŋŋičohkka um genau über meinem Zelt abzuregnen. Auf der anderen Seite des Láddjujohka höre ich immer wieder Steinschlag.
Für Morgen ist die Vorhersage noch schlechter. Zum Regen wird auch noch starker Wind erwartet, de rim Laufe des Tages zunimmt. Damit fällt mein Plan ins Wasser, denn ich müsste heute bis nach Nikkaluokta kommen. Das Visttasvággi nach starken Regen zu gehen dürfte auch kein Vergnügen sein. Vor allem habe ich aber keinen Reservetag mehr. Und irgendwie nach fünf Wochen unterwegs auch keine Lust mehr bei schlechten Wetter zu wandern. Ich plane um. Zähle Kilometer und Tage und entschliesse mich am Ende zurück zum Kungsleden und dann gemühtlich nach Norden zu gehen. Erste Etappe ist morgen zur Singi-Hütte.
Als ich am Nachmittag wieder das andere Ufer sehen kann, ist das Zelt verschwunden. Ich bin froh, dass ich im Trocknen liegen kann. Und schon ist es wieder Zeit für das Abendessen. Heute esse ich Fischsuppe und Pfannkuchen zum Nachtisch.