Als ich morgens früh aufwache sind die Wolken noch nicht ganz verschwunden, aber deutlich höher und ich kann endlich wieder etwas von der Landschaft um mich herum sehen.
Auf den zweiten Blick erspähe ich weit oben Häuser über einen Steilhang und es dauert etwas, bis ich verstehe: das ist Tiefenbach. Da muss ich hoch. Ich frühstücke und packe ein. Das Zelt ist leider recht feucht, aber ich will los und nicht warten bis es trocken ist.
Die Sonne bricht durch als ich um kurz vor 8 Uhr losgehe. Erst einmal zurück zum Weg. An den steilen Talhängen weiden Kühe, deren Glocken ich gestern gehört habe. Ich quere den Sidelenbach und wandere über blumenreiche Feuchtwiesen hinab zur Alp Steinstafel. Das Tal ist schön und ich bin froh gestern früh Schluss gemacht zu haben. Ich wechsel die Flusseite über eine Brücke.
Steinstafel-Viadukt und Steinstafel-Alp
An der Steinstafel-Alp wechselt die Dampfbahn über das Steinstafel-Viadukt ebenfalls auf die Südseite der Furkareuss. Ich steige ein paar Meter zum Alpgebäude auf. Ein Wegweise sehe ich nicht, also nach links den fahrweg entlang. Am leeren Kuhstall vorbei führt der Weg nun an den Bahngleisen entlang. Vor mir werden die Kühe zurück auf die Weide getrieben. Sie finden das Ufergras deutlich attraktiver als die Weide wo sie hin sollen. Bei Niderbach führt mich ein Steg zurück ans Nordufer der Furkareuss.
Neugierige Jungkühe erwarten mich. Gleich die erste Kuh kommt freudig auf mich zu, fährt ihre Zunge aus und leckt die Sonnencreme vom Handrücken. Sie scheint gefallen am Geschmack zu haben und ich sehe lieber zu, dass ich Land gewinne.
Der Pfad führt nun im Zickzack den Steilhang hoch. Es sind 200 Höhenmeter bis nach Tiefenbach an der Furkapassstraße. Aber im Gegensatz zu Gestern fällt mir heute jeder Schritt schwer. Energielos erklimme ich Meter für Meter. Um 9:30 Uhr fährt der erste Zug nach Gletsch. Ich schaue zu wie er über das Viadukt fährt und weiter das Tal aufwärts. Nach einer Pause im Bahnhof in Furka-DFB verwschwindet er im Furka-Scheiteltunnel. Es hilft nichts, ich muss weiter hoch.
Tiefenbach
Um 10 Uhr erreiche ich endlich die Siedlung Tiefenbach. Es sind nur wenige Häuser die an der Straße liegen. Auf der anderen Straßenseite lädt die Terrasse des Hotels Tiefenbach ein. Zwei Häuser weiter zeigt der Wegweiser die Richtung an. Der Furkapass ist immer noch von Wolken umhüllt. Über mir ist jedoch schon strahlend blauer Himmel. Es geht weiter bergan, aber nicht mehr so steil. Über Alpenwiesen schlängelt sich der Pfad nach Tätsch. Dort stehen keine Häuser, aber viele Autos. Ab hier beginnt der Bergwanderweg zur Albrecht Heim Hütte (SAC).
Ich dagegen latsche nun einen Fahrweg entlang. Am Gspenderboden berreue ich langsam in Tiefenbach nicht mein Trinkwasser aufgefüllt zu haben. Zumindest einen tollen Panoramablick habe ich und die größten Steigungen habe ich für heute geschafft.
An der Lochbergchäle stoße ich auf das erste trinkbare Wasser seit Tiefenbach. Der Bach fließt durch eine Rinne und ein Schneefeld gilt es zu queren. Von meiner Seite ist nicht einsehbar wie weit es schon weggeschmolzen ist und da es sehr dünn erscheint, folge ich lieber den Fahrweg und steige dann im Bachbett wieder auf. Das geht gut und so komme ich sicher ans andere Ufer. Ich finde eine gute Stelle und mache lange Mittagspause. Die Sonne scheint und ich nutze die Gelegenheit mein Zelt zu trocknen. Ich koche einen Topf Tee und einen halben Liter Kartoffelsuppe.
Lochberg
Der Weg führt nun ins liebliche Lochberg. Das kleine Seitental bietet ebenfalls einen Zugang zur Albrecht Heim Hütte. Flachmoore und glatt geschliffene Felsen im Schatten von 3000ern dominieren die Landschaft. Ein schöner Ort und ich überlege ob ich noch einen Abstecher unternehme. Während ich im Abstieg zur Wasserfassung Lochberg bin, kommen mir Hüttenwanderer entgegen. Es dürfte dort voll werden heute Nacht. An der Wasserfassung beginnt der Urschner Höhenweg. Der schmale Weg ist besonders bei Mountainbikern beliebt. Von daher ist es ganz gut, dass es schon 15 Uhr ist. Ich hoffe nur noch auf wenige Nachzügler zutreffen. Der Wunsch wird mir erfüllt.
Urschner Höhenweg
Der Urschner Höhenweg führt auf rund 2000 Meter Höhe am Steilhang entlang. Ich bin nicht besonders optimistisch in diesem Gelände viele Zeltmöglichkeiten zu finden. Allerdings gibt es mehr als ich erhoffte. An Alpenrosen vorbei und zwischen Felsen hin durch schlängelt sich der Pfad abwechslungreich durch das Gelände. Dazu stört kein Baum das Panorama. Die Sonne scheint nun von hinten und taucht die Landschaft in ein schönes Licht. Drei Mountainbiker kommen mir noch entgegen, aber ich sehe sie rechtzeitig und kann Platz machen, so daß wir gut aneinander vorbeikommen.
Ich passiere eine kleine Hütte, die recht modern aussieht. Es ist niemand da, aber die Fensterläden sind zur Hälfte offen. Direkt im Anschluss geht es über einen Hügel und ich erblicke das Blauseeli. Schön ist es hier. Der kleine See liegt in einer Senke und macht seinem Namen alle Ehre. An der östlichen Seite ist das Ufer flacher und Grass breitet sich aus. Am schönsten Platz liegt eine zerbrochene Bierflasche. Ich verweile etwas an diesem Ort und überlegen wie weit ich noch wandern soll. Zwar habe ich mir einige mögliche Stellen herausgesucht, aber da ich den Weg noch nie gewandert bin, ist jeder mögliche Platz mit einer gewissen Unsicherheit versehen. Bis zum Talabstieg sind es noch drei Kilometer. Ab da dürfte es schwierig werden mit einem einsamen Platz.
Als ich weiter gehen will, fällt mein Blick auf die großen Felsen östlich des Sees. Dazwischen gibt es ebene Grasflächen. Ich steige hoch und finde einen schönen Platz. Ich muss nicht lange überlegen und baue das Zelt auf. Der Schlafsack war heute Morgen am Fußende etwas feucht geworden und kann nun noch in der Sonne trocken.
Ich sitze auf einem der flachen Steine und trinke Tee, als noch zwei müde Personen vorbeiwandern. Sie haben keinen Blick für mich oder das schöne Panorama. Und ich hoffe sie erreichen ihr Ziel noch sicher. Ich koche mir ein Cous-Cous mit Tomaten und Salami in Pfeffersoße. Einfach, aber doch sehr lecker. Als die Sonne hinter den Gipfeln verschwindet, steigt plötzlich Rauch hinter dem Hügel auf und ich rieche Kaminfeuer. Die Hütte ist also doch belegt. Ich gehe früh ins Bett und höre irgendwann noch einmal einen Hund bellen. Besuch bekomme ich aber keinen mehr.