In der Nacht regnet es kräftig. Ich wache früh auf und schaue aus dem Zelt. Es nieselt. Wolkenschwaden kommen über den Furkapass hinüber. Im Wallis scheint dagegen die Sonne. Ich koche mir einen Tee und esse ein Müsli. Der Wetterbericht sagt nun Regenschauer am Pass bis 12 Uhr an und so lege mich doch noch einmal hin. Als ich wieder aus dem Zelt schaue, ist das Wetter am Pass nicht besser und unten an der Brücke werden Kühe aus dem Transporter geladen. Zum Glück werden sie auf die Weide am anderen Ufer getrieben. Ich packe langsam ein. Pünktlich zum Eintreffen des ersten Zuges der Saison im Bahnhof Muttbach-Belvédère bin ich abmarschbereit. Es steigt niemand aus und wenig später zuckelt der Zug der Furka-Dampfbahn weiter nach Gletsch.
An den Gleisen entlang gelange ich ans andere Ufer des Muttbachs. Da ich erst nach 12 Uhr am Pass sein will, schaue ich mich etwas um. Auf der anderen Gleisseite beginnt das Gletschervorfeld des Muttbachgletschers. Ich quere die Gleise und stoße auf eine Gedenktafel eines Flugzeugabsturzes vor 70 Jahren. Der Platz oberhalb des Portals wird, den Toilettenpapierresten nach zu urteilen, leider häufig als Toilette benutzt. Ich quere lieber wieder direkt die Gleise und gelange auf einen Fahrweg.
Zwischen zwei ehemaligen Militärbaracken beginnt der Aufstieg zum 300 Meter höher gelegenen Furkapass. Wie an vielen Pässen wurde auch der Furkapass im Zweiten Weltkrieg mit Bunkeranlagen geschützt. Der Pfad führt mit einer angenehmen Steigung bergan. An der Rossbode lege ich eine Pause ein. Vor mir liegt eine Wolkenwand. Ich suche etwas Windschutz, denn der feuchte Wind bläst mir garstig entgegen. Weiter unten folgen mir zwei Wanderer mit Tagesgepäck. So im Windschutz lässt es sich aushalten. Als es wieder etwas aufhellt, gehe ich weiter. Von den umliegenden Bergen sehe ich weiter nichts. Unten am Bahnhof fährt der nächste Zug nach Gletsch ein. Diesmal ist es eine Dampflokomotive. Ich beobachte die Abfahrt und nehme dann die Passhöhe in Angriff.
Auf der Furka Passhöhe
Oben angekommen lande ich im dichten Wolkennebel auf einen großen Parkplatz. Wo es genau weiter geht, ist nicht ersichtlich. Ein Blick auf die Karte lässt mich auf das schemenhaft sichtbare einzige Haus zu gehen. Auf halber Strecke steht ein Imbisswagen mit Tisch und Bänken. Hat er etwa geöffnet? Schnell werde ich enttäuscht, aber wer will an solchen Tagen schon hier oben ausharren. Ich passiere kurz vor einem ungastlich wirkenden Gebäude (es handelt sich um eine alte Militärunterkunft) die Grenze zwischen den Kantonen Wallis und Uri. Hier befindet sich die Haltestelle und ein Pfahl mit Wegweisern. Der Pfad führt direkt hinter der Unterkunft den Hang hinauf. Ich gehe weiter, denn mit Ausblick ist hier heute nicht viel zu erwarten.
Der schmale Weg führt oberhalb der Straße zum Hotel Furkablick. Die Autos auf der Straße scheinen nah zu sein, aber die Nebelsuppe ist so dicht, dass ich keines sehe. Die beiden Tageswanderer überholen mich und sind schnell in der Wolke verschwunden. Der halbe Kilometer ist schnell überwunden. Ich lande an einem Bauzaun. Eine Skizze erklärt die Umgehung für die Sidelenhütte. Ich orientiere mich entgegengesetzt zur Straße. Die Umrisse des Hotels Furkablick werden erkennbar. Davor führt ein Pfad hinab zum 300 Meter tiefer gelegenen Bahnhof Furka. Ich folge den Wegweisern und lande auf der Terrasse. Auch dieses Hotel scheint geschlossen zu sein. Die Wolken drücken gegen den Pass und so ist die Nebelsuppe so dicht, dass ich suchen muss bis ich den unscheinbaren Weg erkenne.
Bahnhof Furka der Dampfeisenbahn
Der Aufstieg heute Vormittag ging erstaunlich gut. Nun aber spüre ich bei jedem Schritt abwärts meine Knie. Ich lasse mir Zeit für den steilen Pfad der im Zickzack talwärts führt. Erkenne tue ich im Wolkennebel nichts. Ein Bach plätschert irgendwo. Schließlich nimmt das Gefälle ab und ich erreiche den Bahnhof Furka der Dampfeisenbahn. Statt einem Gebäude erblicke ich ein großes Zelt. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass ich auf dem Flachdach des festen Gebäudes stehe. An Betriebstagen ist die Station bewirtet, die Fahnen wehen, aber nun ist mir mehr nach einer warmen Nudelsuppe.
An der Furkareuss
Der Weg führt über die Gleise und dann über Wiesen im Talgrund. Neben mir fließt die Furkareuss, deren Quellgebiet in diesem Tal liegt. An einer dieser Bäche mache ich eine Pause und hole meinen Kocher raus. Ein heißer Tee und eine Suppe tut gut. Ich muss mich entscheiden wie weit ich heute gehe. Hier oben scheint es noch günstig mit Zeltplätzen zu sein. Weiter unten wird das Flussufer von geschützten Flachmooren gesäumt. Dann kommt ein steiler Anstieg nach Tiefenbach und eine lange Strecke ohne Wasser bis nach Lochberg. Entweder ich mache heute einen kurzen Tag und kann morgen noch etwas von der schönen Gegend erkennen oder es wird spät.
Ich packe ein und wandere weiter. Vor mir huscht ein Tier davon und es dauert etwas bis ich realisiere, dass es kein Hund, sondern ein dickes Murmeltier war. Das Gelände schräg und die Wiesen wirken etwas verwildert, als ob nur selten Kühe hier oben sind. Vor der Sidelenstafel wird es richtig feucht. Die Alpe ist nicht besetzt und scheint es auch nur selten zu sein. Der Weg führt direkt am Gebäude vorbei. Ich höre schon den Sidelenbach rauschen, als ich doch noch einen schönen trockenen Platz für die Nacht finde. Im Grunde sitze ich auf dem Präsentierteller, aber bei diesem Wetter kann mich kaum jemand sehen. In der Ferne höre ich Kuhglocken. Ich baue das Zelt auf und setze Wasser für einen Tee auf. Ein Dampfzug nähert sich mit lautem Schnaufen und fährt ganz schön dicht vorbei, aber ich höre ihn mehr als das ich ihn sehe. Zu Abend gibt es Chili con Carne. Der Wetterbericht für das Wochenende ist gut. Ich gehe früh ins Bett und freue mich auf den nächsten Tag.