Um 6 Uhr scheint kurz die Sonne ins Zelt am Báktájohka. Ich habe trotz lauter Stromschnellen gut geschlafen und das Signalhorn der Erzbahn leise nur in der Ferne vernommen. Das mit dem Aufwachen hat schon einmal gut geklappt und so komme ich um 7:30 los. Für mich geht es nun auf dem Rallarvägen über Björkliden zur Abisko Turiststation.
Zum Abtransport des Eisenerz aus Malmberget (Gällivare) wurde die Malmbanan zwischen Gällivare und Luleå 1888 fertiggestellt. 1898 wurde der Bau der Riksgränsbana, welche von Gällivare über Kiruna nach Riksgränsen führen sollte, begonnen. Da die Strecke lang und der Ostseehafen von Luleå im Winter vereist, wurde beschlossen das Erz über Norwegen zu transportieren. Dazu wurde die Ofotbanen von der Grenze nach Narvik gebaut. Für die Gesamtstrecke der Erzbahn wird deshalb häufig in Schweden die Bezeichnung Malmbanan und in Norwegen Ofotbanen verwendet. Für den Bau wurde ein paralleler Materialweg angelegt. Das Material wurde auf schwedischer Seite über den Torneträsk transportiert, dann in extra erbauten Häfen wie Tornehamn entladen und auf dem Materialweg (Rallarvägen) zur Baustelle transportiert. Entlang der Bahnstrecke und an den sechs Häfen entstanden Siedlungen. Als der Bau 1902 beendet wurde, hatten die Bauarbeitersiedlungen ihren Zweck erfüllt und wurden dem Verfall überlassen. Der Rallarvägen wird nun als Wanderweg genutzt und führt unterhalb der Bahnstrecke mit recht gleichmäßigen Niveau an den Berghängen entlang.
Schnell ist die Brücke über den Báktájohka erreicht. Das Wanderzelt steht noch aufgebaut, aber die beiden Angler mit Campingstuhl-Freundin sind verschwunden. Der Rallarvägen führt mich nun zu den Seen Báktájohkaluobbalat. Er geht direkt am Seeufer unterhalb einer Steilwand entlang. Das Gras auf dem Fahrweg ist hoch, und auch wenn es einen Trampelpfad gibt, streife ich mit jedem Schritt den Morgentau von den Halmen. Die Erzbahn fährt oberhalb und passiert dort den inzwischen stillgelegten Bahnhof Tornehamn. Ein Wegweiser versucht mich nach oben zum kleinen Bahnhofsgebäude zu locken. Gegen 8 Uhr erreiche ich die kleine Landzunge mit dem Picknickplatz am Báktájohkaluobbalat. Das rote Zelt steht noch da und da niemand zu sehen ist, will ich nicht stören und wandere gleich weiter. Ein Stück weiter hole ich die Gamaschen raus, denn langsam wird meine Hose unangenehm nass.
Ich Passiere überwucherte Baracken, von denen ich nur das Hinweisschild sehe. Auch die Abzweigung zur Brauerei (Bryggeriet) am Ufer des Báktájohka lasse ich links liegen. Um halb 9 erreiche ich eine unscheinbare Abzweigung zum Rallarkyrkogården. Der Nordkalottleden geht eigentlich geradeaus. Ich nutze die Abkürzung und stehen wenig später wieder auf dem Nordkalottleden. Vor mir ist ein Ferienhaus, welches früher einmal das Hafenbüro beherbergt hat. Ein Wegweiser zeigt den Weg hinab zur "Tornehamns kyrka". Ich stelle den Rucksack ab und gehen den Weg hinab, aber als ich auf den Hauptweg komme ohne etwas von einer Kirche zu sehen, drehe ich wieder um.
An einem Ferienhaus vorbei, führt der schmale Fahrweg bergan. An einer kalten Quelle fülle ich meine Wasserflasche auf. Eine englischsprachige Gruppe kommt den Weg entlang. Während sie stehen bleiben, gehe ich die letzten Meter weiter zum Friedhof Rallarkyrkogården. Der Friedhof wurde 1899 zwischen Bahnstrecke und Rallarvägen angelegt. Heute gehört er zur Gemeinde Jukkasjärvi und es werden nur noch Personen mit einem besonderen Bezug zur Gegend dort beerdigt. Zu ihnen gehört auch der ehemalige Generaldirektor der schwedischen Eisenbahn Axel Magnus Granholm, der als Ingenieur an den Malmbanan mitbaute. Neben einer kleinen Kapelle stechen die weißen Holzkreuze heraus. Neben einem Grabkreuz mit dem Namen Anna, gibt es etwas außerhalb noch einen Gedenkstein für die Rallar-Köchin Svarta Bjørn, Anna Rebecka Hofstad. Der Stein mit Gedenkplatte aus ihrem Geburtsort liegt auf einem Felsen am Weg zum Bahnhof oberhalb des Friedhofs. Ich gehe wieder zurück zum Rallarvägen und mache am Picknickplatz Pause. Ich liege ausnahmsweise gut in der Zeit.
Weiter geht es Richtung Björkliden. Auf halber Strecke lädt eine Bank mit tollem Ausblick auf Lapporten ein wieder etwas zu verweilen. Durch alte Holzhäuser nähere ich mich dem Bahnhof von Björkliden. In 1¾ Stunden geht ein Zug nach Abisko. Ich will aber weiter zu Fuß und folge dem Wegweiser über Teerstraßen durch den Ort. Ich quere die Hauptstraße und gleich danach den Rákkasjohka. Dieser stürzt sich unterhalb der E10 über den Silverfallet zum Torneträsk hinab. Hier oben beeindruckt mich mehr das klare, kühle Wasser. An der Brücke über den Gohpasjohka lege ich eine Pause ein. Der klare Fluss fließt über ausgewaschene Felsen in einer Schlucht und stürzt sich in die Tiefe. Auf der nördlichen Seite kann ich problemlos absteigen und meine Wasserflasche mit dem klaren, kalten Wasser füllen. Ich passiere ein Warnschild vor Lawinen, die hier im Winter jederzeit ausgelöst werden können. Björkliden ist ein Skigebiet und auch der Lift in Abisko ist dann in Betrieb.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden um Kiruna herum Befestigungen erbaut, um den Einfall Deutschlands nach Schweden zu verhindern und die Eisenbahnlinie zu schützen. Viele der ehemaligen Bauten wurden 2003-2005 abgebaut, aber einige Bauwerke als Denkmal bewahrt. Dazu gehört auch ein Schutzraum am Nuoljatunneln. Die Betonröhre mit Sitzbank liegt genau neben dem Rallarvägen und ist nicht zu verfehlen. Die Disteln blühen farbenfroh am Wegesrand. Nach zehn Minuten erreiche ich die Grenze zum Abisko Nationalpark. Ein großes Schild heißt mich willkommen und informiert über die Regeln. Zwar darf man frei umherwandern, aber nur an der Abisko Turiststation, am Rastplatz Nissonjåkka und an der Abiskojaurestugorna darf gezeltet werden.
Am Tunnelausgang passiere ich ein weiteres Hinweisschild auf einen Schutzraum. Nach der Querung eines Zufahrtwegs, führt der Wanderweg nun entlang einer Stromleitung. Endlich habe ich wieder einen freien Blick auf den Torneträsk. Vor mir kann ich schon die Sandbänke an der Mündung des Abiskojåkka erkennen. Diese gehören zum Vogelschutzgebiet. Die Fågelskyddsområde hat vom 1.Mai bis zum 31.7 ein Betretungsverbot. Nun Anfang August kann der Mündungsbereich erkundet werden. Ich quere die E10 mittels einer Unterführung und komme nun endlich dichter an den Torneträsk. Trotz Sonne ist es recht kühl, denn es weht ein kühler Wind über den See. Auf einem freien Stück lass ich mich nieder und Genieße den Ausblick über den See.
Nun beginnt der Endspurt. Der Rallarvägen bildet nun die Grenze zum Vogelschutzgebiet. Im Mündungsbereich des Abiskojåkka gibt es viele flache Sandbänke. Der Weg nun breiter ausgetreten und ich kann das Hauptgebäude der Absiko Turiststation über den Birken sehen. Noch aber muss ich wieder zur Straße. Dort führt eine Fußgängerbrücke über den Abiskojåkka. Vorbei am Gränsförsvarmuseum und der alten STF-Hütte erreiche ich den Start des Kungsledens und wenig später stehe ich kurz nach 14 Uhr an der Absiko Turiststation.
Nach der Tour ist vor der Tour. Ich suche mich mir im Hauptgebäude einen Platz mit Steckdose, denn das Handy benötigt dringend Strom. Dann gehe ich in der kleinen Butik shoppen. Zum Sofortessen kaufe ich mir ein belegtes Brötchen, Cola und ein Smoothie. Für die nächsten Tage wird der Einkauf jedoch schwieriger. Es gibt kein Knäckebrot und Nudeln nur im Großpaket oder glutenfrei. Warum nicht mal glutenfrei? Dazu kaufe ich Kartoffelpüree, drei Salami, 2 Polarbröd, 145g Schokolade und noch eine 100g Gas-Kartusche, da meine angebrochene 230g nicht ganz reichen dürfte. Draußen wird ein Zelt für den Fjällräven Classic errichtet. Ich genieße es in einem richtigen Sessel zu sitzen. Eigentlich könnte ich hier nun auch aufhören, aber ich habe erst in vier Tagen ein Zimmer reserviert. Nachdem ich schon einmal einen Platz im Restaurant für meinen Tourabschluss reserviert habe, packe ich alles ein und beginne meine Absiko-Runde.
Abisko Fjällstation STF
Lage: Kungsleden, Nordkalottleden
Lat/Lon: 68°21'31" N, 18°47'0" E
Anzahl Betten: 100
Proviantverkauf: ja
Betreiber: STF Svenska Turist Foreningen
Link: STF Abisko Turiststation
10.2024